Darum geht der Telefonterror der Krankenkassen weiter
Die Branchenvereinbarung der Krankenkassen verbietet ab 2021 nervige Anrufe und hohe Vermittlerprovisionen. In Wahrheit ändert sich aber nicht viel.

Das Wichtigste in Kürze
- Anfang 2021 tritt die Branchenvereinbarung der Krankenkassen in Kraft.
- Sie will lästige Anrufe, hohe Vermittlerprovisionen und unzulässige Beratungen stoppen.
- Doch für Versicherungsexperte Schneuwly ändert die Vereinbarung nicht viel.
Unerwünschte Werbeanrufe nerven. Politisch unter Beschuss wegen solcher Anrufe stehen vor allem die Krankenkassen. Nicht nur wegen des Störfaktors, sondern auch bezüglich der Entschädigung externer Vermittler.

«Uns erreichen nach wie vor täglich Beschwerden und Beratungsanfragen von Konsumenten, die sich beispielsweise mit unseriösen und intransparenten Vermittlergesprächen und belästigenden Krankenkassen-Werbeanrufen konfrontiert sehen», erklärt Ivo Meli vom Schweizerischen Konsumentenschutz.
Die Branchenverbände curafutura und santésuisse haben deshalb die gemeinsam erarbeitete «Branchenvereinbarung Vermittler» unterschrieben. Sie sieht unter anderem den Verzicht auf «kalte» Werbeanrufe durch die Kassen und externen Vermittler vor. Gemeint sind damit Erstkontakte mit potenziellen Kunden, zu denen schon lange keine oder nie eine Geschäftsbeziehung besteht.
Groupe Mutuel umgeht Branchenvereinbarung
«Wir begrüsst das Vorhaben», so Meli. Bei genauerem Betrachten fallen allerdings so einige Makel auf. Groupe Mutuel etwa hat erst kürzlich das Maklerzentrum Schweiz sowie die Maklerfirma Neosana übernommen.
Damit machte der Versicherer seinen externen zum internen Vertrieb. Die Folge: Groupe Mutuel muss sich nicht an die Bestimmungen der Branchenvereinbarung halten.

«Rechtlich gesehen ist das legal», erklärt Branchenexperte Felix Schneuwly. Verständnis hat er dafür aber nicht – im Gegenteil. «Eine allgemeine Kundenakquisition wäre deutlich sinnvoller.» Heisst: Die neue Vereinbarung sollte nicht nur für den externen, sondern muss auch für den internen Vertrieb gelten.
Das sieht auch der Schweizerische Konsumentenschutz so. «Auch eigene Angestellte der Versicherungen, die in der Kundenakquisition oder im Verkauf von Versicherungsprodukten tätig sind, müssen als Vermittler gemäss der Vereinbarung gelten», so Meli.
Groupe Mutuel selbst begründet die Übernahme der beiden Maklerfirmen mit einer neuen Vertriebsstrategie. «Diese Strategie zielt darauf ab, den Service und die Beratung für die Kunden zu stärken, insbesondere durch mehr Nähe», sagt Mediensprecher Serkan Isik.
Experte: Finma-Akquirierung sichert Qualität
Auch befasst sich die Branchenvereinbarung mit der Qualitätssicherung. Ziel ist es hier, Kunden vor schlechten und unzulässigen Beratungen zu schützen. Verstösst ein Vermittler dagegen, erhält er eine Geldstrafe.
Ein Punkt, den Schneuwly als überflüssig erachtet. Der Grund: Bereits heute seien Kunden gesetzlich vor solchen Vorfällen geschützt. Zudem bräuchten Versicherungsvermittler eine Akquirierung der Finma.

«Verstoss jemand gegen die Obergrenze, wäre ein Verlust der Akquirierung deutlich effektiver», so der Comparis-Experte. Schliesslich würden Bussen nur auf die Kunden abfallen.
Deckel bei Vermittlerprovision schadet Prämien
Zuletzt schreibt die Vereinbarung eine Obergrenze für die Entschädigung externer Vermittler vor. Diese beträgt bei Grundversicherungen 70 Franken und bei Zusatzversicherungen maximal eine Jahresprämie.

Für den Schweizerischen Konsumentenschutz erweist sich dieser Punkt aber kaum als ein Mehrwert. «Die Vermittlerprovisionen verursachen unnötig hohe Kosten für die Prämienzahler und Kantone», beanstandet Meli.
Die Folge: Die Prämien werden wohl kaum billiger – im Gegenteil. Comparis-Experte Schneuwly rechnet sogar mit steigenden Preisen.
«Genau aus solchen Gründen ist die Branchenvereinbarung nicht im Interesse der Konsumenten», fügt Schneuwly hinzu. «Besser wäre es, das bereits geltende Gesetz durchzusetzen.» Dieses schütze die Konsumenten besser als jedes Krankenkassenkartell.