Kann man Werk und Künstler trennen?
Die gefühlte Nähe zu Michael Jackson sucht im US-Entertainment bis heute ihresgleichen. Die neue Doku zu Missbrauchsvorwürfen zwingt Fans, seine Musik anders zu hören. Auch beim «King of Pop» könnte nun gelten: Grossartige Kunst bedeutet nicht zwingend grossartige Menschen.
Die gefühlte Nähe zu Michael Jackson sucht im US-Entertainment bis heute ihresgleichen. Die neue Doku zu Missbrauchsvorwürfen zwingt Fans, seine Musik anders zu hören. Auch beim «King of Pop» könnte nun gelten: Grossartige Kunst bedeutet nicht zwingend grossartige Menschen.
Der norwegische Rundfunk NRK war einer der ersten. Songs von Michael Jackson würden für zwei Wochen aus dem Programm verschwinden, hiess es zunächst aus Oslo. Radiosender in Neuseeland und Kanada zogen mit.
Nach der Dokumentation zu Missbrauchsvorwürfen gegen Jackson bekommen seine Hits wie «Thriller» und «Billie Jean» einen bitteren Beigeschmack. Die Frage, ob sich ein Werk vom Künstler trennen lässt, stellt sich nun auch bei Michael Jackson.
Gehören Werke verbannt und weggesperrt?
Jacksons Titel bedeuten einigen Fans die Welt, andere geraten beim R&B von Sänger R Kelly ins Träumen. Die Menschen lieben Woody Allens Filme und fiebern Kevin Spacey auf der Kinoleinwand entgegen. Die Comedians Bill Cosby und Louis CK galten als zwei der besten ihrer jeweiligen Generation.
Gehört das Werk dieser Künstler nach Vorwürfen, Ermittlungen oder gar Verurteilungen wegen sexueller Übergriffe verbannt und weggesperrt?
Keineswegs, argumentiert Kritikerin Josephine Livingstone. In der «New Republic» schrieb sie, Filme von Woody Allen oder Roman Polanski seien Geschenke an die Welt der Kultur. Sie werde sie niemals zurückgeben. Nicht Allen und Polanski verfügten über die Interpretation ihrer Filme und das Vermächtnis ihrer Kunst, sondern das Publikum.
Aber Jackson war ein Gesamtkunstwerk: die Locken, der weisse Glitzerhandschuh, der schwerelos wirkende Tanz. Für kreischende Massen wuchs der Sänger aus Gary (Indiana) zur gottähnlichen Gestalt heran. Fans bekamen das Gefühl, ihn seit Kindheitstagen mit den Jackson 5 und durch Musikrekorde und Klatsch-Schlagzeilen begleitet zu haben.
Die gefühlte Bindung zu Michael Jackson sei unübertroffen, meint Wesley Morris von der «New York Times». Auch deshalb sei der Widerstand gegen die HBO-Dokumentation «Leaving Neverland», in der die Missbrauchsvorwürfe wieder thematisiert werden, so heftig gewesen.
Michael Jackson weiterhin allgegenwärtig
Und Jacksons Musik ist auch zehn Jahre nach seinem Tod zumindest in der westlichen Kultur allgegenwärtig. «MJ» wird zitiert und imitiert. Er beeinflusste die Pop-Spitze von Justin Bieber über Justin Timberlake bis zu Bruno Mars.