Salzburger Festspiele in Pandemie-Zeiten

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Österreich,

In prekären Zeiten feiern die Salzburger Festspiele mit einem verkürzten und modifizierten Programm ihr 100-jähriges Bestehen. Strenge Hygieneregeln sollen dafür sorgen, dass Corona nicht die Hauptrolle spielt.

Das Plakat der Salzburger Festspiele 2020 zum 100-jährigen Jubiläum. Foto: Barbara Gindl/APA/dpa
Das Plakat der Salzburger Festspiele 2020 zum 100-jährigen Jubiläum. Foto: Barbara Gindl/APA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Wochen hatte das Management der Salzburger Festspiele gezögert.

Eine Absage ausgerechnet der diesjährigen Jubiläumsaison wäre eine Katastrophe gewesen.

Dann kam Ende Mai die erlösende Nachricht: Das bedeutendste Musik- und Theaterfestival der Welt, das dieses Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert, wird trotz Corona-Pandemie über die Bühne gehen, wenn auch verkürzt und modifiziert. Und damit aus den Festspielen nicht das «Ischgl der  Kultur» wird - der rummelige Tiroler Skiort gilt als ein Epizentrum der Pandemie in Europa - haben die Festspiele zusammen mit Fachleuten ein ausgefeiltes Hygienekonzept erarbeitet mit personalisierten Eintrittskarten, Besucherlenkung und «Gesundheitstagebuch» für Künstler. 

Im Zentrum des auf August (1.-30.8.) beschränkten Spielplans steht einmal mehr der «Jedermann». Schliesslich wurden mit Hugo von Hofmannsthals «Spiel vom Sterben des reichen Mannes» im Jahre 1920 die ersten Salzburger Festspiele bestritten. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges sollte das Festival, so formulierten es die Gründerväter Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss, eine Friedensbotschaft aussenden und dem vom mächtigen Vielvölkerimperium zum alpinen Kleinstaat geschrumpften Österreich zu einer neuen Identität als Kulturnation verhelfen. Ein wenig wollte man auch Gegenpol sein zu den «preussischen» Richard Wagner-Festspielen in Bayreuth: vielfältiger, offener, nicht nur einem einzigen Genius huldigend. Und eine ganze Stadt als Bühne!

Im Verlaufe eines Jahrhunderts ist aus dem einst recht intimen musikalisch-theatralischen Veranstaltungsreigen ein «Global Player» der Kulturindustrie geworden, auch wenn man dieses Wort im auf Exklusivität und höchsten künstlerischen Anspruch bedachten Salzburg nicht gerne hören möchte. In den vergangenen Jahren eilten die Festspiele ökonomisch von Rekord zu Rekord. 2019 wurden mehr als 270 000 Karten verkauft, bei einer Platzauslastung von sagenhaften 97 Prozent. Dass die Festspiele auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind, bekam die Stadt in der Corona-Krise zu spüren, der die Oster- und Pfingstfestspiele zum Opfer fielen. 

Wie jeweils die künstlerische Bilanz ausfällt, ist ein Stück weit Einschätzungssache. Auf jeden Fall ist es sehr schwer geworden, unter Hunderten von Musikfestivals in Europa und weltweit den Alleinstellungsanspruch «Von allem das Beste» für sich zu reklamieren oder mit einer «Salzburger Dramaturgie» Massstäbe zu setzen, zumal die grossen, charismatischen Persönlichkeiten, die einst den Festspiele ihr unverkennbares Gesicht gaben, rar geworden sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Herbert von Karajan (1908-1989) der unangefochtene Übervater der Festspiele. Er machte Salzburg zum Mekka der Tonträgerindustrie und sorgte für unvergessliche Aufführungen von Opern Wolfgang Amadeus Mozarts, von Richard Strauss und Giuseppe Verdi. Solch illustre Mozart-Ensembles wie in den 70er Jahren mit Künstlern wie Christa Ludwig, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier, Hermann Prey und Dietrich Fischer-Dieskau sind heute nur noch schwer aufzutreiben. Doch macht Salzburg immer noch mit Entdeckungen auf sich aufmerksam: Die russische Diva Anna Netrebko und zuletzt die litauische Sopranistin Asmik Grigorian als Salome in der gleichnamigen Strauss-Oper, inszeniert von Romeo Castellucci, begründeten an der Salzach ihren Weltruhm.

Nach Karajan sorgte der belgische Theatermanager Gerard Mortier (1943-2014) im Jahre 1991 für einen zunächst umstrittenen Neuanfang. Er verjüngte das Publikum und stellte den allbekannten Repertoire-Hits auch weniger bekannte Werke und Modernes gegenüber. Das unter Karajan in Salzburg ausgiebig zelebrierte Blingbling der Schönen und Reichen trat ein wenig in den Hintergrund, um unter Mortiers Nachfolgern Peter Ruzicka und Jürgen Flimm, vor allem aber unter dem auf Prestige bedachten Intendanten Alexander Pereira wieder zurückzukehren. Seit 2016 hat Markus Hinterhäuser, der einst für Mortier eine Schiene für zeitgenössische Musik schuf, die Zügel in der Hand und versucht, einen Mittelweg zu gehen zwischen gesellschaftlichem Event, ökonomischem Erfolg und künstlerischer Exzeptionalität.

In diesem besonderen Jahr, das ein wenig an die prekären Umstände der Anfangszeit nach dem grossen Krieg erinnert, ist dies eine ganz besondere Herausforderung. Nur zwei Opern stehen auf dem Programm, «Elektra» von Strauss und «Così fan tutte» von Mozart. Die Theatersparte präsentiert neben dem «Jedermann» eine mit Spannung erwartete Uraufführung von Literaturnobelpreisträger Peter Handke, und der Pianist Igor Levit wird einen Zyklus aller Beethoven-Klaviersonaten spielen, der Salzburger Beitrag zum arg gerupften Beethovenjahr. Von «Covid fan tutte» will Hinterhäuser nichts wissen. Doch dies ist zunächst eine Hoffnung.   

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