Arena: Führt Biodiversitätsinitiative zu Atomkraftwerken?
Das Wichtigste in Kürze
- Albert Rösti sieht in der Biodiversitätsinitiative eine Gefahr für die Energiewende.
- Es würden mehr Gebiete geschützt, es könne weniger zugebaut werden.
- Die Befürworter wollen die Lebensgrundlage schützen.
Ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind gefährdet oder bereits ausgestorben. Also müssten Bund und Kantone mehr für den Erhalt der Biodiversität tun, fordert die Biodiversitätsinitiative. Über sie wird am 22. September 2024 abgestimmt.
Bundesrat und Parlament sind gegen das Volksanliegen: «Die Massnahmen, die der Bund zum Schutz der Biodiversität ergriffen hat, wirken», begründet Albert Rösti in der Arena. Seit rund 20 Jahren würden viele Mittel eingesetzt, die Anzahl Arten habe zugenommen. Aus seiner Sicht ist die Biodiversitätsinitiative zu starr und lasse keine Güterabwägung zu.
Und dies zeigt sich im Strombereich: «Gewissen Projekten würde bei einem Ja der Stecker gezogen», so der Energie- und Umweltminister. «In gewissen Gebieten sollte die Stromproduktion Vorrang haben.» Die Initianten aber wollten, dass mehr Flächen geschützt würden.
FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro will die Biodiversität ebenfalls schützen, argumentiert aber gegen die Initiative. Denn: «Es gibt einen Interessenskonflikt zwischen Biodiversität und Strom sowie Landwirtschaft. Wo sollen wir dann noch anbauen?»
Initiant und Pro Natura-Geschäftsleiter Urs Leugger widerspricht: Schutz und Nutzen könnten kombiniert werden. Und: «Die Biodiversitätsinitiative verhindert den Zubau mit erneuerbaren Energien nicht.»
GLP-Flach: Volk will Energiewende nicht auf Kosten der Biodiversität
De Quattro geht auf die zahlreichen Einsprachen von Naturschutzorganisationen gegen Stromprojekte ein: Bei einem Ja käme die Biodiversität in die Verfassung, Richter könnten keine Abwägung mehr machen. «Das ist der Stopp der Energiewende», obwohl das Volk diese gewollt habe.
GLP-Nationalrat Beat Flach präzisiert: Ja, das Volk wolle die Energiewende. «Aber es hat nicht gesagt, dass es sie auf Kosten der Biodiversität will.»
Wie die Energiewende auch bei einem Ja geschafft werden kann, erklärt Leugger: mit Solarausbau in Siedlungsgebieten und auf bestehender Infrastruktur. «Da sagen wir nichts dagegen.» Es würden aber auch Energieprojekte an Orten geplant, wo wertvolle Biodiversität zerstört und Gesetze nicht eingehalten würden. «Da setze ich mich für die Natur ein.»
Dafür hat Albert Rösti kein Verständnis. Bei einem Ja werde der Zubau mit erneuerbaren Energien erschwert. «Irgendwann bleibt nur noch die Alternative Kerntechnologie.»
Ritter: Biodiversitätsinitiative führt zu geringerer Selbstversorgungsrate
Ein weiteres Argument der Gegner der Biodiversitätsinitiative betrifft die Landwirtschaft: Die Anbauflächen würde verkleinert, was zu einer geringeren Selbstversorgungsrate führt, sagt Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands. Zudem würden die Bauern schon jetzt sehr viel für die Nachhaltigkeit tun und Biodiversitätsflächen pflegen.
Hier stimmt Regina Fuhrer-Wyss, Bäuerin und SP-Politikerin, zu – doch es reiche nicht. Man brauche Biodiversität, denn ohne könnten keine Lebensmittel produziert werden. Zudem dürfe man nicht von einer Versorgungskrise sprechen, wenn ein Drittel der Lebensmittel weggeworfen würden.
Auch Leugger betont, dass die Biodiversität die Grundlage der Lebensmittelproduktion sei. Die Initiative sei für die Bauern. Denn auch ein grosser Teil der geforderten Mittel würden zu den Landwirten fliessen. Aber: «Die Agrarindustrie ist mitverantwortlich für den Verlust der Biodiversität.»
Rösti, selbst Sohn von Bauern, kann das nicht auf sich sitzen lassen: Der grösste Faktor sei das Bevölkerungswachstum und die Notwendigkeit von mehr Infrastruktur. Die Initiative würde zu weniger einheimischer Produktion führen. Es müsste mehr aus Ländern mit weniger strengen Standards importiert werden. «Und dadurch ist die Gesamtbilanz schlechter.»