Staatsanwaltschaft will gegen SVP-Chiesa ermitteln
Die Staatsanwaltschaft Bern will die Immunität zweier SVP-Grössen aufheben lassen, um Ermittlungen einzuleiten. Der Grund ist ein aufsehenerregendes Wahlplakat.
Das Wichtigste in Kürze
- Es geht um die SVP-Kampagne mit dem Slogan «Neue Normalität?».
- Chiesa amtierte zum Zeitpunkt der Kampagne 2023 als SVP-Parteipräsident.
Ein Sloganplakat der SVP sorgt für Aufsehen. Darauf zu sehen sind zwei Bilder: Links eine grosse Gruppe Dunkelhäutiger auf einem überfüllten Platz, rechts eine hellhäutige Familie in weiter Landschaft.
Das Plakat wirbt mit dem Slogan «Jetzt 10-Millionen-Schweiz stoppen!» gegen «masslose Zuwanderung». Für die Eidgenössische Kommission fallen diese und andere Abbildungen der SVP unter Rassismus. In einem Brief an Ständerat Marco Chiesa fordert sie die Partei auf, derartige Kampagnen zu unterlassen.
«Rassistisch, fremdenfeindlich, hetzerisch»
«Die Abbildungen zielen darauf ab, Angst und Ablehnung gegenüber ausländischen Personen zu erzeugen, indem sie wiederholt und systematisch suggerieren, dass diese eine besondere Gefahr für die Schweiz darstellen würden. Die Kampagnen-Sujets sind nicht nur rassistisch und fremdenfeindlich, sondern sie sind hetzerisch und schüren bewusst negative Emotionen, die dazu geeignet sind, in der Gesellschaft ein feindseliges Klima gegenüber den genannten Gruppen zu schaffen», heisst es darin.
Herabsetzung von Ausländern – Strafanzeige erstattet
Mehrere Vereine, darunter der Eritreische Medienbund Schweiz und die Linke PoC, erstatteten der «Aargauer Zeitung» zufolge Strafanzeige. Die Vorwürfe decken sich mit jenen der Eidgenössischen Kommission; Ausländer würden durch die Kampagnen herabgesetzt.
Laut der Staatsanwaltschaft Bern sei ein hinreichender Verdacht auf den Verstoss gegen die Antidiskriminierungsnorm gegeben. Gemäss der Zeitung führt sie zwei Strafverfahren gegen die verantwortlichen SVP-Grössen Marco Chiesa und Peter Keller. Als die Kampagne lanciert wurde, führte Chiesa gerade sein damaliges Amt als SVP-Parteipräsident aus, Keller fungierte als Generalsekretär.
Staatsanwaltschaft will Immunität aufheben lassen
Die Staatsanwaltschaft Bern ersucht die ständerätliche Rechtskommission und die Immunitätskommission des Nationalrats darum, die Immunität der Politiker aufzuheben. Sollten die Kommissionen dem nachkommen, könnte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleiten. Ohne die Aufhebung der Immunität sind Politiker im Rahmen der politischen Tätigkeiten vor Strafverfolgung geschützt.
Der derzeit amtierende SVP-Präsident Marcel Dettling kritisiert: «Die Staatsanwaltschaft will die SVP mit solchen Strafverfahren mundtot machen. Auch unsere Wähler sollen eingeschüchtert und davon abgehalten werden, sich zum Thema Ausländerkriminalität zu äussern.»
«Wollen keine Zustände wie in Deutschland mit täglichen Messerattacken»
Er verweist darauf, dass es eine Tatsache sei, dass Ausländer in der polizeilichen Kriminalstatistik überrepräsentiert seien. Man müsse auf diese Probleme hinweisen, statt sie zu ignorieren. «Wir wollen keine Zustände wie in Deutschland mit täglichen Messerattacken», sagt Dettling.
Laut dem Strafrechtsprofessor Marcel Niggli wird es nicht zu einer Strafverfolgung kommen. Man könne die Kampagne zwar je nach Geschmack «doof, unanständig und unsympathisch finden». Doch da vonseiten der Partei keinen bestimmten Ausländergruppen Minderwertigkeit oder Minderberechtigung vorgeworfen würde, sei eine Rassendiskriminierung im strafrechtlichen Sinn nicht erfüllt.