Steinemann kritisiert rekordtiefe Arbeitslosenquote als irreführend
Sind so wenige Menschen ohne Job wie seit 20 Jahren nicht mehr? Nein, die Zahlen täuschen, sagt SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Viele suchen vergebens.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Arbeitslosigkeit erreichte 2019 mit 2,3 Prozent einen Tiefststand seit Jahrzehnten.
- Die Quote sei irreführend, weil längst nicht alle Stellensuchenden erfasst würden.
- Für SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann ist die Konkurrenz aus dem Ausland problematisch.
Am Freitag frohlockte das Bundesamt für Wirtschaft Seco: Tiefste Arbeitslosenquote seit fast 20 Jahren! Und erstmals seit 2008 sank die Arbeitslosenzahl wieder unter die Marke von 100'000 Personen. Fast jede Person in der Schweiz hat also Arbeit – könnte man denken.
Denn Barbara Steinemann stört sich: «Keine Fake-News, aber irreführend: die Arbeitslosenquote erfasst nur jene, die Taggelder beziehen.»
Die Erwerbslosenquote EL hingegen sei zwar etwas ungenauer, aber eher massgebend und aussagekräftiger dafür, wie viele Menschen in der Schweiz arbeiten und wie viele nicht, so die SVP-Nationalrätin. Die Anzahl Erwerbsloser ist tatsächlich höher als die Arbeitslosenquote AL.
Nicht jeder der einen Job sucht, taucht in Arbeitslosenquote auf
Die Zürcherin will darauf aufmerksam machen, dass die AL-Quote zahlreiche Einzelfälle unberücksichtigt lässt. «Erst kürzlich habe ich eine junge eingebürgerte Ex-Jugoslawin beraten, die sich beim RAV anmelden wollte, damit sie ins Arbeitsvermittlungs-System kommt.»
Dort hiess es jedoch, sie sei nicht Taggeldberechtigt und wurde zurückgewiesen – das RAV macht in diesen Fällen also seinen Job nicht.» Zudem würden diese Fälle dann auch nicht in der Arbeitslosenstatistik erscheinen.
Steinemann sagt, vor Einführung der Personenfreizügigkeit PFZ sei die EL-Quote nie höher als 2,8 Prozent und sei heute so hoch wie nie. Die PFZ trat 2002 in Kraft.
Gemäss BFS-Zahlen stimmt das jedoch nicht. Tatsächlich lag die EL-Quote in den Jahren 1992-2000 über diesem Wert. Und: Auch nach Einführung der PFZ pendelte sie zwischen vier und fünf Prozent.
Steinemann liest die Zahlen so: «Vor Einführung der Personenfreizügigkeit gab es immer Schwankungen aufgrund der Konjunktur. Seit 2002 gibt es diese viel weniger, dafür ist die Erwerbslosenquote tendenziell höher.»
Die Personenfreizügigkeit ziehe auch nicht nur Fachkräfte an. «Aber ein bedeutender Teil der EU-Bürger, die in die Schweiz zum Arbeiten kommen, haben ‹unbestimmte Qualifikationen›», sagt Steinemann.
Und viele ausländische Arbeitskräfte ergreifen Jobs mit niedrigen Qualifikationsanforderungen. Das zeigt der Observatoriumsbericht zur PFZ. «Dem will die SVP mit Kontingenten und Höchstzahlen entgegenwirken.»
Allerdings hält der Bericht auch fest, «dass der grösste Anteil der jüngsten FZA-Zuwanderer in Branchen mit hohen bis sehr hohen Qualifikationsanforderungen tätig ist (74 Prozent)».
Billige Arbeitskräfte aus dem Ausland statt Schweizer Arbeitslose?
«Wir sind eine fleissige Gesellschaft und wollen arbeiten», ist Barbara Steinemann indes sicher. «Die Menschen wollen nicht nur vom Staat versorgt werden mit Sozialgeld, sie wollen arbeiten.»
Kontraproduktiv erachtet sie die PFZ dort, wo Arbeitgeber ausländische Arbeitnehmer den arbeitssuchenden Schweizern vorziehen – gerade bei niedrigqualifizierte Jobs sowie Gastronomie, wo die Arbeitslosenzahl ohnehin höher ist. Zudem würden Integrationsbemühungen ausgerechnet hier versuchen, Flüchtlinge in den Arbeitsprozess integrieren zu können.
Arbeitgeber würden sich jedoch lieber Arbeitskräfte aus dem Ausland holen. Manche wurden bereits nach einem Jahr wieder entlassen. «Diese Leute können dann Arbeitslosengeld beziehen. Ich will aber weder Arbeitnehmern noch -gebern etwas Böses unterstellen.» Die Diskussion um die Arbeitslosenquote zeigt eines jedoch klar: Hinter den Zahlen stecken Menschen.