Verhüllungsverbot: Kämpfen Befürworter mit falschen Aussagen?
Saudi-Arabien und die Türkei finanzieren Frauen, damit sie ihr Gesicht verschleiern. Das behaupten Befürworter vom Verhüllungsverbot. Doch stimmt das?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Verhüllungsverbot-Initiative steht am 7. März zur Abstimmung.
- Doch Befürworter kämpfen zum Teil mit seltsamen Aussagen.
- Etwa, dass muslimische Länder Frauen bezahlen, damit sie eine Vollverschleierung tragen.
Im Zentrum der Debatte rund um das Verhüllungsverbot steht der Islam. Genauer gesagt, die Frau im Islam und ob sie durch Vollverschleierung unterdrückt wird. Vollverhüllung sei ein Symbol der Unterdrückung der Frau, darum gehöre sie verboten. Übersetzt: Männer zwingen Frauen, ihr Gesicht zu verschleiern.
Doch es geschehe auch auf einer institutionellen Ebene, so die Befürworter. Immer wieder wird über islamistische Organisationen gesprochen, die direkt oder indirekt für den konservativen Islam Propaganda betreiben. Schlimmer noch: Ganze Länder finanzieren diese Organisationen.
Islamische Weltliga im Zentrum
In der «Arena» zur Initiative wurde ein Gast eingeschalten, der für das Verhüllungsverbot ist. Frauen, welche Hijabs oder Burqas trügen, «werden bezahlt», von Saudi-Arabien und der Türkei. «Die haben Organisationen, die schicken Geld, damit Frauen diese Hijabs und Burqas tragen», sagte der Mann.
Als er gefragt wurde, woher er diese Information habe, antwortete er: «Ich habe das alles von einem Imam.» Zudem habe der Unterstützer des Verhüllungsverbot in zahlreichen muslimischen Ländern gewohnt. Mehr darauf eingegangen wurde nicht.
Doch diese Theorie hält sich hartnäckig und ist in islamkritischen Kreisen weit verbreitet. Zum Beispiel auch bei einem bekannten Gesicht, das die Initiative des Egerkinger Komitees mit Herzblut unterstützt: Saïda Keller-Messahli. Die gebürtige Tunesierin ist Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam.
In einem Interview von 2016 im österreichischen «Standard» kritisiert Keller-Messahli die Islamische Weltliga. Diese und «ihre 21 Unterorganisationen» arbeiteten daran, «ihre Ansichten in den Moscheen durchzusetzen». So auch das Tragen von Niqabs und Burkas.
Feministin für das Verhüllungsverbot
Die Theorie wird aber auch 2021 weiterverbreitet: In einem Interview der «NZZ» mit Alice Schwarzer, einer bekannten deutschen Feministin, wiederholte sie die Idee der saudischen Finanzierung. Ihre Solidarität gehöre Frauen, welche vom Kopftuch-Obligatorium durch den «IS» befreit sein wollten.
«Nicht der obskuren Minderheit, oft verhetzt in Moscheen und finanziert von Saudi-Arabien oder der Türkei», so Schwarzer. Diese Minderheit kämpfe für ein Recht auf Verhüllung in Schulen und in der Öffentlichkeit. Aber stimmt das? Werden Musliminnen von islamischen Organisationen und Ländern finanziert, um ihr Gesicht zu verschleiern?
Islamwissenschaftler widerspricht
Nein, sagt Reinhard Schulze, Professor für Islamwissenschaften an der Universität Bern, zu Nau.ch. Für diese Behauptungen gebe es keinerlei Beweise.
«Allein die Tatsache, dass seit 2018 das Tragen eines Gesichtsschleiers in Saudi-Arabien nicht mehr vorgeschrieben ist, macht diese Aussage unglaubwürdig. Das gilt auch für die Behauptung, die Türkei würde Frauen bestechen, den Gesichtsschleier anzulegen.» In der Türkei gelte an den meisten öffentlichen Orten ein Verbot der Vollverschleierung.
Besonders problematisch findet Schulze die Behauptungen von Saïda Keller-Messahli zur Islamischen Weltliga: «Frau Keller-Messahli behauptet immer wieder, dass die Islamische Weltliga weltweit einen ‹hochorganisierten politischen Islam› steuere.»
Zwar sei diese Liga eine halbstaatliche Organisation. Und sie habe tatsächlich zwischen 1975 und 1995 versucht, durch Finanzhilfe Einfluss über Gemeinden in Europa zu gewinnen. Doch mittlerweile sei der Einfluss der Organisation «fast unbedeutend».
Auch habe die Liga ihre Nähe zu salafistischen Kreisen, einer ultrakonservativen Strömung des Islams, aufgegeben. Die Anzahl Unterorganisationen der Islamischen Liga liege zudem heute bei 6, nicht mehr 21.