Bundesgericht

Wiederholung einer Volksabstimmung wäre ein beispielloser Vorgang

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Lausanne,

In einer öffentlichen Beratung wird das Bundesgericht über die Beschwerde zur Frauenrentenalter-Abstimmung entscheiden.

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Das Bundesgericht in Lausanne. - Keystone

Das Bundesgericht entscheidet am 12. Dezember in öffentlicher Beratung über die beiden Beschwerden gegen das Resultat der Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre. Sollte es sie gutheissen, würde ein zweiter Urnengang nötig – ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Schweiz.

Zwar hat das Bundesgericht 2019 auch das Resultat über die mit 50,8 Prozent Nein-Stimmen knapp gescheiterte CVP-Initiative gegen die Heiratsstrafe in der Ehepaarbesteuerung annulliert. Zu der höchstinstanzlich verordneten Wiederholung des Urnengangs kam es aber nicht, denn die CVP (heute Mitte) verzichtete und lancierte stattdessen eine neue Initiative.

Der Bundesrat habe der Stimmbevölkerung 2016 Fehlinformationen geliefert und so die Abstimmungsfreiheit verletzt, befand das Bundesgericht damals. Die Landesregierung hatte eingeräumt, dass nicht nur 80'000 Ehepaare von der Heiratsstrafe betroffen sind, sondern 454'000 – allerdings erst zwei Jahre später.

Eine zweite Abstimmungsbeschwerde gegen das Resultat der Unternehmenssteuerreform II von 2008 wies das Bundesgericht ab. Die SP hatte moniert, der Bund habe in den Abstimmungsunterlagen seine Steuerausfälle zu tief deklariert. Das Bundesgericht argumentierte mit der Rechtssicherheit, denn die Reform war bei seinem Entscheid bereits in Kraft.

Bei den am 12. Dezember vom Bundesgericht beratenen Abstimmungsbeschwerden der SP Frauen und der Grünen geht es ebenfalls um falsche Zahlen. Angerichtet hatte den «Zahlensalat» das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) durch eine falsche Formel in der Berechnung der AHV-Finanzperspektiven.

Es musste in der Folge im August die AHV-Ausgaben für das Jahr 2033 um 4 Milliarden Franken nach unten korrigieren. Nach genauerem Nachrechnen blieb noch eine Korrektur von 2,5 Milliarden nach unten.

Am 12. Dezember nehmen zwei Ersatzrichterinnen teil

Plötzlich stand die AHV finanziell besser da, als in den Abstimmungsunterlagen dargestellt. Die zu hohe Prognose der künftigen AHV-Ausgaben war nach Ansicht der Beschwerdeführer ausschlaggebend für die 50,5 Prozent Zustimmung zur AHV-Reform (AHV 21) am 25. September 2022. In der Reform wurde auch das Frauenrentenalter erhöht.

Die Stimmberechtigten entschieden demnach nicht in Kenntnis der Sachlage. Damit sei den Frauen ein Jahr Rente gestohlen worden, argumentiert die Beschwerdeseite.

An der öffentlichen Beratung der ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Lausanne nehmen am 12. Dezember zwei Ersatzrichterinnen teil. Das Gremium besteht nämlich in seiner normalen Zusammensetzung nur aus Männern. Das Bundesgerichts-Reglement sieht aber vor, dass «Mitglieder beider Geschlechter dem Spruchkörper angehören, wenn die Art des Rechtsstreits dies zu rechtfertigen scheint».

Die Vorgänge im Bundesamt für Sozialversicherungen beleuchtet eine von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider eingeleitete externe Administrativuntersuchung durch eine Anwaltskanzlei. Die Ergebnisse sind bis Ende des Jahres zu erwarten. Auch die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission beugt sich über die Affäre.

BSV-Direktor Stéphane Rossini tritt Ende Juni 2025 zurück. Sein Amt angetreten hatte der ehemalige Walliser SP-Nationalrat Ende 2019.

Der Bundesrat will weitere «Zahlensalate» bei Abstimmungsvorlagen verhindern. Deshalb entschied er Ende September, die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) solle 2025 im Rahmen ihres Jahresprogramms Daten und Prognosen einmalig einer Qualitätsprüfung unterziehen.

Gemäss dem Auftrag muss die EFK «die Qualität der verwendeten Datengrundlagen, Modelle und Prozesse prüfen, die in die Prognosen der Botschaften und Abstimmungserläuterungen des Bundesrates einfliessen».

Schon Anfang 2020 hatte die Landesregierung veranlasst, dass im Gesetzgebungsprozess objektive und aktuelle Entscheidungsgrundlagen vorliegen. So müssen seither zum Beispiel quantitative Angaben bereits für die Vernehmlassung übersichtlich und mit Quellenangabe dargestellt werden. Bei Schätzungen müssen Angaben zu deren Verlässlichkeit gemacht werden.

Kommentare

User #3619 (nicht angemeldet)

Den grössten Lapsus hat wohl BR Merz mit der Unternehmensteuerreform II hingelegt. Da gingen dem Staat statt paar Mio, paar Milliarden verlohren.

User #3779 (nicht angemeldet)

Denke, dass das Bundesgericht für die kommenden 77 Jahre alle SP Bundesräte verbietet. Ein SP Bundesrat ist jeweils für die falschen Zahlen verantwortlich!

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