Vorstandsmitglied: Auflösung der Memorial-Organisation wäre «extrem abschreckend»
Vor der Fortsetzung des Prozesses gegen die Menschenrechtsorganisation Memorial hat Vorstandsmitglied Vera Ammer vor den Folgen einer Auflösung der NGO gewarnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Russisches Gericht setzt Prozess gegen Menschenrechtsorganisation fort.
Ein Verbot hätte eine negative «Signalwirkung» und wäre «extrem abschreckend», sagte Ammer am Dienstag im Radiosender Bayern 2. Ein solches Urteil würde kleineren Initiativen in Russland signalisieren: «Mit Euch sind wir ganz schnell fertig, wenn wir selbst vor Memorial nicht zurückschrecken.»
«Memorial ist weltweit bekannt und diese kleineren Initiativen, die es alle noch irgendwo gibt, natürlich viel weniger», sagte Ammer. «Und wenn man mit denen Schluss macht, dann merkt das niemand.»
Für den Fall einer Auflösung Memorials forderte Ammer von der Bundesregierung und auf internationaler Ebene scharfe Reaktionen: «Ich erwarte, dass der Fall immer angesprochen wird bei allen Gelegenheiten und nicht vergessen wird.» Der Fall müsse «auch auf höchster Ebene bei Verhandlungen auch noch in einem halben Jahr, in einem Jahr und später» zur Sprache gebracht werden, sagte Ammer. «Damit deutlich ist, das wird nicht vergessen und das bleibt nicht ohne Konsequenzen.»
Der Oberste Gerichtshof Russlands setzt am Dienstag seine Verhandlung über die Auflösung eines zentralen Teils der Menschenrechtsorganisation Memorial fort. Die Staatsanwaltschaft hat die Auflösung der Organisation Memorial International beantragt, welche die Arbeit der regionalen Abteilungen des Menschenrechts-Netzwerks koordiniert. Memorial gilt als eine der wichtigsten Bürgerrechtsgruppen Russlands.
Die Staatsanwaltschaft wirft Memorial International vor, mehrfach gegen das Gesetz über «ausländische Agenten» verstossen zu haben. Die Organisation ist von den russischen Behörden seit 2016 als «ausländischer Agent» eingestuft. Dies erschwert ihre Arbeit, da sie beispielsweise ihre Finanzierungsquellen offenlegen sowie alle Publikationen mit einem Hinweis versehen muss.
Ein Verbot der 1989 von sowjetischen Dissidenten, darunter dem Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow, gegründeten Organisation wäre ein schwerer Schlag für die letzten verbleibenden Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin.