Widersprüchliche Versionen zum Absturz der Passagiermaschine im Iran
Das Wichtigste in Kürze
- Teheran schliesst Abschuss aus - Trudeau und Johnson sprechen von Boden-Luft-Rakete.
Dagegen sprachen der kanadische Premierminister Justin Trudeau und sein britischer Kollege Boris Johnson ausdrücklich von Informationen über einen «Abschuss mit einer iranischen Boden-Luft-Rakete». Auf einem Video, das unter anderem von der «New York Times» verbreitet wurde, ist ein leuchtendes Objekt zu sehen, das anscheinend gegen ein Flugzeug prallt.
«Eine Sache ist sicher: Dieses Flugzeug ist nicht von einer Rakete getroffen worden», sagte der Chef der iranischen Flugaufsicht, Ali Abedsadeh. «Wir bestätigen, dass das Flugzeug 60 bis 70 Sekunden lang gebrannt hat», fügte er hinzu - aber zu sagen, «dass es von etwas anderem getroffen wurde, ist wissenschaftlich nicht haltbar». Ein von einer Rakete getroffenes Flugzeug hätte nicht so lange weiter fliegen können. Auch hätten die Trümmer nach einem Abschuss weit verstreut zu Boden fallen müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Bei dem Absturz kamen am Mittwoch alle 176 Insassen ums Leben, darunter 82 Iraner und 63 Kanadier.
Trudeau sagte, «zahlreiche» Geheimdienstinformationen deuteten darauf hin, dass die Maschine «von einer iranischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde». Dies könnte nach seinen Worten «unabsichtlich» geschehen sein. Johnson erklärte, es gebe zunehmende Indizien dafür, dass eine iranische Rakete den Absturz verursacht habe. Der mutmassliche Raketenbeschuss könnte laut Johnson «wohl unabsichtlich gewesen sein». Die Ukraine erhielt laut Aussenminister Wadim Prystaiko von den USA «wichtige Daten» zu dem Absturz, äusserte sich aber zunächst nicht zu deren Inhalt.
Die Bundesregierung forderte Teheran zu einer umfassenden Aufklärung des Flugzeugabsturzes auf. Bei den Ermittlungen müsse nun «alles in den Blick genommen werden - nicht nur ein technischer Defekt», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Spekulationen über die Absturzursache wollte er sich nicht anschliessen. «Eigene Erkenntnisse haben wir nicht», sagte Seibert. Deutsche Experten stünden bereit, bei den Untersuchungen zu helfen.
Auch die französische Regierung erklärt sich bereit, an der Untersuchung zur Absturzursache mitzuwirken. Frankreich könne zur erforderlichen technischen Expertise beitragen, sagte Aussenminister Jean-Yves Le Drian. Allerdings liege ihm bislang keine entsprechende Bitte Teherans vor.
Es gibt nur wenige Länder, die über die Technik verfügen, die Daten aus den Flugschreibern einer abgestürzten Maschine zu untersuchen. Zu diesen Ländern zählen die USA, Frankreich und Deutschland. Die EU-Kommission forderte eine «unabhängige und glaubwürdige» Untersuchung.
In Teheran trafen rund 50 ukrainische Experten ein, die sich an der Untersuchung des Absturzes beteiligen wollen. Kanada entsandte seinerseits zehn Experten in den Iran. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB teilte mit, sie habe vom Iran eine förmliche Unterrichtung über den Absturz nahe Teheran erhalten und werde mit einem Repräsentanten an der vom Iran geleiteten Untersuchung teilnehmen.
Ein in den Onlinenetzwerken verbreitetes 20-Sekunden-Video scheint den Verdacht eines Raketenabschusses zu stützen. Die Bilder zeigen ein schnell und schräg in den Himmel aufsteigendes Objekt, bevor ein heller Blitz zu sehen ist. Einige Sekunden später ist eine Explosion zu hören.
Beim Absturz des Fluges PS752 kamen vier in Deutschland lebende Menschen ums Leben - eine 30jährige gebürtige Afghanin mit ihren beiden fünf und acht Jahre alten Kindern aus Werl und eine 29-jährige gebürtige Iranerin, die als Doktorandin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz arbeitete.
Die Lufthansa strich bis zum 20. Januar unter Hinweis auf die unklare Sicherheitslage alle Flüge des Konzerns nach Teheran. Am Donnerstagabend war eine bereits gestartete Maschine nach rund einer Stunde Flugzeit vorsorglich nach Frankfurt am Main zurückgekehrt.