Kenin ist neue Australian-Open-Queen: «Wie auf Wolke sieben»
Das Wichtigste in Kürze
- Australian-Open-Siegerin Sofia Kenin schmunzelt über ihre verblüffend draufgängerischen Antworten als kleines Mädchen noch immer.
Schon als Sechsjährige war sie überzeugt, den Aufschlag ihres Lieblingsspielers Andy Roddick zurückschlagen zu können.
«Ja», sagte sie 2005 ernst, wie Videos zeigen, die seit ihrem rasanten Aufstieg in Melbourne im Internet kursieren: «Wenn ich mich früh vorbereite und kurz aushole.» Roddick war mit einem Aufschlag von fast 250 Stundenkilometern zeitweise Rekordhalter bei den Herren.
15 Jahre später küsst Kenin den Daphne Akhurst Memorial Cup - mit dem 4:6, 6:2, 6:2 gegen die Spanierin Garbiñe Muguruza feierte sie ihren ersten Grand-Slam-Titel. «Ich bin wie auf Wolke sieben», sagte die 21-Jährige, als sie mit rotlackierten Fingernägeln und einem Glas Sekt nach ihrem Coup Rede und Antwort stand. Alles sei surreal, es verschwimme alles. Ihr Vater Alexander Kenin sagt: «Wir sind noch nicht am Ziel.» Denn schon als kleines Mädchen hatte sich Kenin vorgenommen, Champion und die Nummer eins der Welt zu werden.
Dass sie am Montag als neue Nummer sieben erstmals unter die Top Ten vorrücken wird und ihr Idol Serena Williams als beste Amerikanerin in der Weltrangliste ablöst, musste Kenin erst einmal sacken lassen. Als jüngste Australian-Open-Siegerin seit Maria Scharapowa 2008 verewigte sie sich in der Tennis-Historie. Naomi Osaka war bei ihrem Triumph vor zwölf Monaten allerdings auch nur 22 Tage älter.
Kenins Geschichte ähnelt in manchem der der fünfmaligen Grand-Slam-Siegerin Scharapowa. 1987 verliessen Kenins Eltern die Sowjetunion, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. «Ich danke meinen Eltern, mir den amerikanischen Traum gegeben zu haben.» Jetzt freut sie sich über ein Preisgeld von rund 2,5 Millionen Euro.
Was mit ihrem Sieg im Endspiel gegen die zweimalige Grand-Slam-Siegerin Muguruza gipfelte, hatte begonnen, als Kenin mit dreieinhalb Jahren mit einem Schläger ihres Vaters in einer Auffahrt im Pembroke Pines in Florida die ersten Bälle schlug. Ihr Vater begleitet als Trainer ihren Weg vom früh erkannten Talent zur jüngsten amerikanischen Top-Ten-Debütantin seit Serena Williams 1999. Mit vier, fünf Jahren sei sie berühmter gewesen als vor ihrem Aufstieg zur Australian-Open-Siegerin, witzelte ihr Vater mal.
Selbstbewusst bahnte sich die temperamentvolle Aussenseiterin ihren Weg durch die Australian Open, nachdem sie zuvor noch nie über ein Achtelfinale bei einem Grand Slam hinausgekommen war. 2019 wurde sie nach ihren ersten Turniersiegen in Hobart, Mallorca, Guangzhou zur Aufsteigerin der WTA-Tour.
In Melbourne lag der Fokus bei den amerikanischen Damen anfangs mehr auf der 23-fachen Grand-Slam-Siegerin Williams und der 15-jährigen Cori Gauff. Kenin liess sich weder im Achtelfinale gegen Gauff noch gegen die australische Weltranglisten-Erste Ashleigh Barty im Halbfinale oder Muguruza durch einen Rückstand aus der Ruhe bringen.
Mit ihrem Tennisschläger in den amerikanischen Nationalfarben präsentierte sie sich im Melbourne-Finale in den entscheidenden Situationen spielerisch cool. Variabler, mit mehr spielerischen Möglichkeiten und mit bei weitem nicht so vielen Fehlern gewann sie das Endspiel gegen die ungesetzte Muguruza, die 2016 bei den French Open und 2017 in Wimbledon triumphiert hatte. «Die Zukunft des Tennis ist so glänzend», gratulierte US-Tennis-Ikone Billie Jean King.
Seit Melbourne 2017, dem bislang letzten Titel der langjährigen Dominatorin Serena Williams, gab es zehn unterschiedliche Siegerinnen bei den folgenden Grand-Slam-Turnieren. Ob Kenin ihren jetzigen Triumph bestätigen kann, wird sich zeigen.