Formel E: «Grenzt an ein Wunder, dass niemandem etwas passiert ist»
Der Horror-Unfall im Samstagsrennen der Formel E in Rom endet glimpflich. Dafür fällt am Sonntag eine Vorentscheidung im WM-Kampf.
Das Wichtigste in Kürze
- Jake Dennis kommt als WM-Führender zum Saisonfinal der Formel E in London.
- Am Samstag bleiben alle Fahrer trotz einer Massen-Kollision unverletzt.
- Die Entscheidung im WM-Kampf fällt am 29. und 30. Juli in London.
Die Formel E erlebt in Rom einen Schreck-Moment: Wie durch ein Wunder geht der Horror-Unfall im Samstagsrennen glimpflich aus. Dafür bringt das Sonntagsrennen eine Vorentscheidung im Titelkampf – mit Vorteil für Jake Dennis.
Vor dem Saisonfinal in London in zwei Wochen liegt der Andretti-Pilot in der WM mit 24 Punkten Vorsprung voran. Nick Cassidy und Mitch Evans müssen beim Double-Header in England auf einen Patzer des Briten hoffen.
Motorsport-Insiderin Carla Welti und Nau.ch-Experte Mathias Kainz besprechen die aktuellen Themen und blicken auf den packenden Titelkampf voraus.
Horror-Unfall in der Formel E geht glimpflich aus
Nau.ch: Das grosse Thema an diesem Wochenende ist sicher die Massen-Kollision am Samstag. Wie habt ihr die Szene gesehen?
Carla Welti: Der Unfall vom Samstag war wahnsinnig unglücklich im Hergang, doch wir können von Glück reden, dass niemandem etwas passiert ist. Der seitliche Einschlag von Mortara auf Bird hat mir die Haare aufgestellt. Erst vor knapp drei Wochen ist Dilano van ‘t Hoff bei einem ähnlichen Unfallhergang in in Spa-Francorchamps verstorben. Ich bin daher einfach froh, dass alle Unfallbeteiligten unversehrt sind.
Mathias Kainz: Bei diesem Unfall hat die Formel E unfassbares Glück – es grenzt an ein Wunder, dass niemandem etwas passiert ist. Vor allem für Sam Bird war es heikel, aber auch Edo Mortara hatte Riesenglück. Das Gleiche gilt für Sébastien Buemi, der mit dem höchsten Tempo bei Bird eingeschlagen ist. Ein grosses Danke an die Verantwortlichen, die das Gen3-Auto zu so einem sicheren Renner gemacht haben.
Ist Jake Dennis in der Formel E noch zu stoppen?
Nau.ch: Mitch Evans hat mit einem seltenen Fehler womöglich die WM entschieden. Ist Jake Dennis jetzt noch zu stoppen?
Mathias Kainz: So stark, wie Dennis in Rom und insgesamt in den letzten Rennen war, sehe ich ihn als klaren Favoriten. Der Strategie-Fehler am Samstag war ärgerlich, und trotzdem hat er sein Rennen noch maximiert. Wenn er im ersten Rennen in London alles richtig macht, hat er den Titel vorzeitig sicher. Oder siehst du noch einen ernsthaften Herausforderer?
Carla Welti: Auf die Punkte gesehen, ja, denn zwischen Dennis und Cassidy liegen nur 24 Zähler. Und wir wissen, dass Cassidy diese Saison eine starke Konstanz geboten hat, während Dennis seine Ups and Downs hatte. Ich sehe also eine grosse Chance für Cassidy, sich den Titel in London noch zu holen.
Nau.ch: Für Pascal Wehrlein ist der WM-Kampf unterdessen nur noch rechnerisch offen. Wie ist der Niedergang des Porsche-Piloten für euch zu erklären?
Mathias Kainz: Sicher hat Porsche an manchen Wochenenden nicht das Maximum herausgeholt, aber ich nehme auch den Fahrer in die Pflicht. Vor allem die Qualifying-Schwäche hat Wehrlein in diesem Jahr viele Punkte gekostet. Wenn er tief im Pulk steckt, dann fährt sich der Deutsche regelmässig das Auto kaputt. So viele Zähler, wie er dadurch weggeworfen hat, kann er unmöglich wettmachen.
Carla Welti: So eine Frage ist immer schwierig zu beantworten, da wir die Hintergründe bei Porsche nicht genau kennen. Gab es Probleme, von welchen wir nichts wussten? Von aussen können wir sehen, dass Wehrlein immer wieder Fehler gemacht hat und so konstant war wie etwa Nick Cassidy. Diese Konstanz ist das Einzige, was ihm noch fehlt, denn an seinen guten Tagen ist er kaum aufzuhalten.
Alle drei Schweizer punkten in der Formel E
Nau.ch: Alle drei Schweizer holen am Sonntag Punkte. Wer von den dreien hat euch in Rom am besten gefallen?
Carla Welti: Nach der heftigen Verwicklung in den Unfall am Samstag, freuen mich die Punkte für Sébastien Buemi sehr. Seine Formel-E-Saison verlief nicht so wie verhofft. Nach einem so heftigen Unfall dann diese Leistung zu bringen, ist ein Testament für seine Professionalität und sein Können.
Mathias Kainz: Für Buemi war das eine kleine Erlösung – nach dem Unfall hat er am Samstag am Funk noch heftig geflucht. «Wann hört dieses verdammte Pech endlich auf?» Aber mich hat vor allem Nico Müller beeindruckt, weil es ein unfassbar reifer Auftritt war. Aus allem herausgehalten, clever gefahren und verdient zweimal gepunktet.
Packender WM-Final in der Formel E
Nau.ch: Jetzt stehen nur noch die beiden ePrix in London bevor. Wie sollte WM-Leader Jake Dennis die Rennen angehen – taktisch oder angreifen?
Mathias Kainz: Im Qualifying muss das Ziel volle Attacke sein – schon alleine, um nicht in Kollisionen im Feld verwickelt zu werden. Die Zusatzpunkte für die Pole Position wären ein netter Bonus. Im Rennen kann er sich dann aber erlauben, etwas taktischer aufzutreten. Zwei vierte Plätze würden ja schon für den WM-Titel reichen, selbst wenn Cassidy in London das Maximum abräumt.
Carla Welti: Nick Cassidy wird, so wie wir ihn kennen, auf Angriff sein. Da ist es wichtig, im Fall von Jake Dennis, nicht zu zögerlich mit dem eigenen Einsatz zu sein. Das Gesamtpaket muss stimmen: Während Dennis attackiert auf der Strecke, muss das Team ihn dabei unterstützen, taktisch und strategisch die nötige Leistung zu erbringen.
Nau.ch: Wer war für euch in der Formel E der Fahrer des Wochenendes in Rom?
Carla Welti: Jake Dennis hat ganz bestimmt brilliert in Rom, was ihn zu einem meiner Favoriten vom Wochenende macht. Doch auch Norman Natos P2 Resultat vom Sonntag habe ich mit Freude beobachtet. Das ist das erste Podium für Nissan als offizielles Hersteller-Team – ein historischer Moment!
Mathias Kainz: Für mich führt an Jake Dennis in Rom kein Weg vorbei. Der Auftritt am Sonntag war makellos – Pole Position, schnellste Rennrunde und Sieg. Die Doppel-Null bei Cassidy und Evans hat er so perfekt ausgenutzt. So wird man Weltmeister in der Formel E!