Ukraine-Krieg: Türkei-Veto gegen Natobeitritt ist unrealistisch
Der Ukraine-Krieg hat weitreichende Folgen. Finnland und Schweden streben den Nato-Beitritt an. Erdogan droht mit einem Veto. Doch ist das realistisch?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Türkei äusserte sich kritisch zum geplanten Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens.
- Dass das angedrohte Veto umgesetzt wird, ist laut einem Experten jedoch unwahrscheinlich.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äusserte sich wiederholt kritisch zu einem möglichen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens im Ukraine-Krieg. Begründung: Man könne nicht einem Betritt von Ländern zustimmen, die Sanktionen gegen die Türkei verhängten. Die beiden Länder würden «Terrororganisationen» wie etwa die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützen.
Doch wie realistisch ist ein Veto Erdogans zum Nato-Beitritt überhaupt? Ist alles nur ein grosser Bluff?
Laut ETH-Geostratege und Politikwissenschaftler Albert A. Stahel ist ein Veto unrealistisch. Er erklärt: «Erdogan bestellte 100 F-35A bei den USA. Gleichzeitig bestellte er das Raketenabwehrsystem S400 Triumf bei den Russen, er ‹flirtet› eben mit beiden Mächten.»
Die Bestellung der S400 lehnten die USA ab. Dies wegen der Gefahr, dass die Russen über das Raketenabwehrsystem geheime Daten der F-35A erfassen könnten. «Daraufhin stornierten sie die Lieferung der F-35A.»
Erdogan nutze die Veto-Drohung im Ukraine-Krieg als Druckmittel, um an seine F-35A zu kommen. «Es ist eine Erpressung. Die Beteiligten werden einen Kompromiss finden, zu einem Veto wird es nicht kommen.»
Das passiert im Ukraine-Krieg bei einem Veto
Zwar ist ein Veto denkbar unwahrscheinlich. Doch sollte es trotz allem zu einem kommen, wäre ein infrage kommender Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens zumindest vorerst Geschichte. Stahel: «In der Theorie gäbe es keine Ausnahmeregelungen, die das Veto für ungültig erklären könnten.»
Das passiert bei einem Nato-Beitritt
Welche Reaktionen wären bei einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens seitens Russland zu erwarten?
Der Slawist Ulrich Schmid sagt: «Putin selbst hat sehr gemässigt reagiert und Reaktionen von militärischer Infrastruktur in Schweden und Finnland abhängig gemacht.» Neben wirtschaftlichen Sanktionen wäre etwa die Entsendung von nuklear bestückten U-Booten in die Ostsee möglich.
Das «Näherrücken der Nato» bot Putin einen Vorwand, einzumarschieren. Mit einem Beitritt Finnlands und Schwedens stünde diese aber wirklich an seiner Grenze.
Fürchtet Putin dieses Szenario, und warum verabscheut er die Nato so stark? «Die Nato ist aus seiner Sicht USA-dominiert und ein hegemoniales Werkzeug Washingtons. Putin will eine multipolare Weltordnung, in der Moskau auf Augenhöhe mit Washington agiert», so Schmid.