Endlich frei: Julian Assange ist nach Australien zurückgekehrt
14 Jahre lang wurde der Fall von Julian Assange behandelt. 175 Jahre Haft drohten ihm in den USA. Jetzt konnte er endlich zurückkehren – dank eines Deals.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein US-Gericht hat einen Deal zwischen Assange und der amerikanischen Justiz abgesegnet.
- Nach 14 Jahren konnte der Wikileaks-Gründer endlich in seine Heimat zurückkehren.
- Seine Freilassung ist ein Hoffnungsschimmer für inhaftierte Journalisten.
14 Jahre hat es gedauert, bis Wikileaks-Gründer Julian Assange in seine Heimat zurückkehren konnte. Ein US-Gericht hatte am Mittwoch sein Zugeständnis zu einem Deal zwischen Assange und der amerikanischen Justiz gegeben. Dabei bekannte sich der Australier bezüglich der Spionagevorwürfe teilweise schuldig.
Mit einer Chartermaschine erreichte er am Abend die australische Hauptstadt Canberra. Seine – in Grossbritannien abgesessene – Haftstrafe gilt als bereits verbüsst.
Assange ist der Protagonist eines grossen Spionageskandals. 2006 hatte er die Enthüllungsplattform Wikileaks gegründet mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen und verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Von 2010 an veröffentlichte Wikileaks geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan der Whistleblowerin Chelsea Manning. Die USA warfen Assange in der Folge vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.
Der Kontrast zwischen der kleinen Gefängniszelle im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem der Whistleblower die letzten fünf Jahre verbracht hat, und der pazifischen Trauminsel Saipan könnte grösser nicht sein. Saipan gilt als Taucherparadies und Touristenmagnet.
Nachdem sich die Ereignisse seit Montag überschlagen hatten, fand sich Assange nur zwei Tage später unter blauem Tropenhimmel und in der Nähe von palmengesäumten Stränden wieder.
Von London Stansted war er am Montag mit einer Chartermaschine vom Typ Bombardier zunächst nach Bangkok geflogen und von dort am Dienstagabend in das US-Aussengebiet gestartet.
Die Flugnummer VJT199, die Assanges Frau Stella und Wikileaks zuvor in sozialen Medien genannt hatten, war seit Tagen die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung.
Freudentränen der Ehefrau
Kaum jemand kann Assanges Gemütszustand wohl besser nachvollziehen als seine Frau Stella.
Sie schrieb auf X zu seiner Ankunft auf der Insel: «Ich sehe mir die Aufnahmen an und denke daran, wie gross die Reizüberflutung sein muss, wenn er nach Jahren der sensorischen Deprivation in den vier Wänden seiner Hochsicherheitszelle im Belmarsh-Gefängnis jetzt durch das Gedränge der Presse geht.»
Nach der Gerichtsentscheidung jubelte sie in sozialen Netzwerken: «Julian verlässt das Gericht von Saipan als freier Mann. Ich kann nicht aufhören zu weinen.» Die 40-jährige Anwältin hatte den Australier 2022 während seiner Haft geheiratet und hat zwei Kinder mit ihm.
Julian Assange hatte Angst bis zur letzten Minute
Die amerikanische Justiz wollte Assange lange Zeit den Prozess wegen Spionagevorwürfen machen: Bis zu 175 Jahre Haft hätten ihm in den USA gedroht. Stattdessen handelte er nun mit den US-Behörden einen Deal aus und bekannte sich der Verschwörung zur unrechtmässigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig.
In die USA wollte Assange zur Absegnung des Deals aber partout nicht – zu gross war wohl das Misstrauen. Stattdessen flog er auf die beschaulichen Marianen, die zwar zu den USA gehören, aber deutlich näher an seiner australischen Heimat liegen.
Richterin Ramona Manglona legte am Morgen (Ortszeit) fest, dass als Strafmass jene Zeit gilt, die der Internetaktivist bereits in der Haft in London verbüsst hat. Damit ist er jetzt offiziell frei. Das US-Justizministerium bestätigte später in einer Mitteilung, dass der Fall offiziell abgeschlossen sei.
Aber die Angst, dass in letzter Minute doch noch etwas hätte schiefgehen können, war gross. Nach der Entscheidung soll Assange Beobachtern zufolge sehr emotional und den Tränen nah gewesen sein. «Es sieht so aus, als würde dieser Fall mit mir hier in Saipan enden», zitierten britische Medien Richterin Manglona.
Es handele sich offenbar um ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk, fügte sie hinzu: «Ich habe gehört, dass Sie nächste Woche Geburtstag haben. Ich hoffe, Sie beginnen Ihr neues Leben auf positive Weise.»
Assange wird am kommenden Mittwoch (3. Juli) 53 Jahre alt.
Anwälte danken australischem Premier
«Ich hoffe, dass die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung gibt», sagte die australische Menschenrechtsanwältin Jennifer Robinson am Mittwoch vor dem Gericht und sprach von einem «historischen Tag».
Robinson dankte vor allem dem australischen Premierminister Anthony Albanese für dessen unermüdlichen Einsatz für Assange. Der Regierungschef habe sich immer wieder auf höchster Ebene für eine Lösung in dem juristischen Tauziehen starkgemacht. Assanges Anwalt Barry Pollack sagte, Assange habe in seinem Kampf für freie Meinungsäusserung und Pressefreiheit enorm gelitten.
Es ist das abenteuerliche Ende einer jahrelangen Saga. Vor seiner aufsehenerregenden Festnahme im April 2019 hatte sich Assange sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt und so dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen.
Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker setzten sich derweil immer wieder für seine Freilassung ein. Es wird der erwartet, dass Assange sich nach der Heimkehr nach Australien erstmals öffentlich äussern wird.