Vor 65 Jahren: Fiat 500 rollt vom Band - Kult-Auto mit Zukunft?
Egal ob Italien, Deutschland oder Schweiz: Der Fiat 500 ist Kult. Seit Jahrzehnten ist er für das Traditionsunternehmen aus Turin ein Verkaufsschlager. Für die Zukunft des kleinen Italieners fällte Fiat eine drastische Entscheidung - geht das gut?
US-Schauspieler Tom Cruise sauste schon mit ihm für Dreharbeiten durch die Altstadt Roms, Pop-Star Jennifer Lopez klemmte sich in einem Werbespot hinter sein Steuer, und Papst Franziskus steigt regelmässig hinten bei ihm ein.
Der Fiat 500 geht zwar nicht als Luxus-Schlitten durch, aber ist seit Jahrzehnten ein Auto fürs Volk - und das nicht nur in Italien. Am 4. Juli 1957 rollten im norditalienischen Turin die ersten Modelle vom Band, damals unter dem Namen Fiat Nuova 500. Als «kleiner, grossartiger Wagen» wurde er damals beworben. Ein «treuer Freund» - egal ob man ans Meer oder in die Berge fährt, hiess es in dem Fernsehspot.
65 Jahre später ist der «Cinquecento» (Fünfhundert) nicht mehr von den italienischen Strassen wegzudenken. Über die Jahre produzierte Fiat verschiedene 500-Varianten, vom Cabrio über die Sportversion bis zum in die Länge gezogenen «Giardineria» (Gärtnerei) - einer Art Kombi. Mehr als 7,1 Millionen 500-Modelle verkaufte Fiat seither, wie Unternehmenssprecher Marco Freschi erklärt.
Das Unternehmen ist mittlerweile Teil des Autokonzerns Stellantis, der im Januar 2021 aus der Fusion von Fiat Chrysler und der französischen PSA-Gruppe hervorging. Umsatz des börsennotierten Konzerns 2021: 152 Milliarden Euro. Die italienische Traditionsmarke reiht sich seitdem neben Opel oder Peugeot aus Frankreich ein.
Für den neuen 500 hatte das Unternehmen in 50er Jahren einen konkreten Plan: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Fiat ein Auto auf den Markt bringen, das den Menschen mehr Mobilität ermöglichte, wie Freschi erklärt. Zuvor fertige die von Giovanni Agnelli gegründete Marke schon den Fiat 500, auch «Topolino» (Mäuschen) genannt, der aber aus Sicht mancher wegen seines überraschend hohen Preises nicht unbedingt ein Wagen für alle war. Konstrukteur Dante Giacosa musste für wenig Geld ein Modell als Konkurrenz zum Motorroller entwerfen. Am Ende rollte 1957 eine neue Version des 500 vom Band, mit einem Motor von rund 500 Kubikzentimetern Hubraum, zu einem Preis von etwas weniger als 500 000 Lire - so erklärt sich auch der Name.
«Der Fiat 500 ist ein absolutes Erfolgsmodell, so wie etwa der BMW Mini», sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. «Er bildet Italien ab, hat sich immer wieder neu erfunden und als modernes Fahrzeug seiner Zeit angepasst.» Gerade im engen Stadtverkehr Italiens lässt sich der schlanke 500 verglichen mit bulligen SUV geschmeidig durch die Gassen lenken. Viel Gepäck sollte man aber damals wie heute nicht dabei haben.
Nun soll der Klassiker auf eine neue Spur einlenken. Stellantis will bei der Marke in den grünen Gang schalten. «Fiat hat eine Strategie und ein klares Ziel», sagt Freschi. Bis 2027 soll die gesamte Marke rein elektrisch fahren. Das Unternehmen will sich einen umweltfreundlichen Anstrich verpassen. Zum Beispiel machte Fiat auf dem Dach seiner ehemaligen Fabrik im Turiner Stadtteil Lingotto aus der berühmten Teststrecke einen Garten. Dort, wo ab 1927 Ingenieure neue Modelle quasi unerkannt entlangrasen liessen, schmücken heute Zehntausende Pflanzen den Asphalt.
Dudenhöffer hält die Entscheidung des Unternehmens für den richtigen Weg. «Wenn man ein Kultprodukt in die Zukunft tragen will, muss man es zukunftsfähig machen, ansonsten wird es zum Museumsstück», sagt der Experte vom Duisburger Center Automotive Research. «Genau das passiert mit dem vollelektrischen Fiat 500.»
Fiat probierte sich in den 90er Jahren mit dem Cinquecento Elettra schon einmal erfolglos mit einem E-Auto. Der Wagen hatte zwölf klobige Batteriezellen im hinteren Teil und schaffte anfangs eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometer je Stunde mit einer Reichweite von rund 60 Kilometern. Aufladen konnte man das Auto zu Hause an der Steckdose, was allerdings Stunden dauerte. Heute soll der Elektro-500 je nach Modell bis zu 320 Kilometer schaffen.
E-Autofahrer kritisieren die mässig ausgebaute Ladesäulen-Infrastruktur in Europa. Es geht aber voran. In Italien gab es von 2020 auf 2021 einen hohen Zuwachs. In dem Land mit fast 60 Millionen Einwohnern stehen ungefähr 26'000 öffentliche Ladepunkte für E-Autos. «Bei der Ladeinfrastruktur braucht es eigentlich nur die Wallbox und Schnelllader auf Autobahnen», sagt Dudenhöffer.