Auf den Spuren Ljubljanas berühmtester Schnurrbärte
Eine skurrile Stadttour durch Ljublana, Slowenien, folgt den Spuren dreier berühmter Männer, die eine ganz besondere Gemeinsamkeit hatten: einen Schnurrbart.
Das Wichtigste in Kürze
- Sloweniens Hauptstadt Ljubljana bietet eine besondere Stadtführung an: die Moustache-Tour.
- Drei berühmt gewordene Slowenen mit Schnurrbart und Anekdoten zu ihnen geben den Weg vor.
- Idyllisches Grün, tolle Aussichten und feine Kulinarik säumen den Weg.
Wie bringt man Touristen eine Stadt am besten näher? Zum Beispiel mit Anekdoten berühmter lokaler Persönlichkeiten.
So macht man es jedenfalls in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana:
Dort folgen Touristen von Frühjahr bis Herbst auf einer humorigen Velotour den Spuren des Architekten Jože Plečnik, des Schriftstellers Ivan Cankar und des Malers Rihard Jakopič.
Der Name – Moustache-Tour (Schnurrbart-Tour) – spielt auf die Gemeinsamkeit der drei Männer an: Sie alle trugen Schnauzer.
Tourguide Urban Logar ist 45, trägt natürlich Bart, und bevor es losgeht, stellt er klar, worum es gehen wird: um drei Männer, die Ljubljana im 19. und 20. Jahrhundert geprägt haben.
Und zwar nicht mit ihren Schnurrbärten, sondern mit ihrer Einstellung, etwas zu schaffen, jemand zu werden. So wie Plečnik, Cankar und Jakopič.
Logar führt seine Gäste zu Ljubljanas Nationalbibliothek. Entworfen hat den rotgrauen Backsteinbau Architekt Plečnik.
In deren Innern finden sich die Manuskripte des Schriftstellers Ivan Cankars, der – wie Logar erzählt – seine Notizen oft verlor, sodass seine Gedanken quer durch die Stadt verteilt waren.
Er gilt als wichtigster slowenischer Schriftsteller der Moderne und schrieb ungewohnt deutlich über das soziale Elend um die Jahrhundertwende.
Ehrgeizig, streng, unterkühlt: der Architekt Jože Plečnik
Nur unweit davon: Das Haus, in dem Architekt Plečnik lebte und arbeitete. Darin, kündigt Logar an, werde man Hinweise auf Plečniks Charakter finden. Er galt als ehrgeizig, streng und nicht gerade herzlich.
Dort angekommen präsentiert Logar also einen unbequemen Stuhl ohne Polster. Plečnik habe diesen für seine Studenten entworfen. Wer bequem sitze, arbeite nicht gut, sei Plečniks Überzeugung gewesen.
Während Logar erzählt, sperrt er die Tür zu einer gläsernen Halle voller Pflanzen und Statuen auf. Hier habe der Architekt Besucher empfangen, aber nie Kaffee angeboten. Meistens sei er nicht mal ganz die Treppe von seiner Wohnung heruntergekommen.
Logar deutet auf eine Büste Plečniks, die eine seiner Studentinnen gefertigt habe. «Er hat ihr extra noch gesagt, sie solle sein Gesicht schön streng machen.»
In Plečniks Arbeitszimmer befindet sich auch dessen Bett. Es ist schmal, der Schreibtisch deutlich grösser. Ob man hier etwas findet, das nicht zum Workaholic Plečnik passt? Zwischen Dreieck, Lineal und Stiften liegt: ein Ball.
Logar zückt sein Smartphone und klärt auf. Auf dem Display: ein Schwarz-Weiss-Foto Plečniks, das ihn mit seinem Hund zeigt. Der Ball war also offenbar ein Spielzeug.
Auf dem Bild lacht der Architekt, der als Pionier der modernen Architektur im 20. Jahrhundert gilt und weit über Slowenien hinaus wirkte.
Sauerkraut-Export finanziert Kunststudium im Ausland
Weit weniger streng als Plečnik: Rihard Jakopič. Das Geburtshaus des verstorbenen Malers liegt nicht weit entfernt von Plečniks ehemaliger Wirkungsstätte in einer Wohnsiedlung im Stadtteil Krakov.
Hier ist von der Grossstadt nichts mehr zu hören. Es herrscht absolute Ruhe.
Zu Zeiten Jakopičs war der Stadtteil berühmt für sein Sauerkraut. Einige Bewohner exportierten es bis nach Jerusalem oder Kairo. Oder in die USA wie Jakopičs Vater. So konnte er dem Sohn das Studium an der Wiener Kunstakademie finanzieren.
Eine Investition, die sich gelohnt hat: Jakopičs impressionistische Kunst steht heute in Ljubljanas Nationalgalerie.
Am Eingang der Ausstellungshalle hängt ein Briefkasten, in dem sich einige der berühmtesten Zitate des Malers befinden – eingerollt in kleine Zettelchen.
Auf einem von ihnen steht zum Beispiel: «Ohne Kunst ist der Mensch verstümmelt. Wie ein Tiger ohne Lust auf Blut.» Das klingt beinahe doch nach dem strengen Plečnik.
Bleibt Schriftsteller Cankar, der eher das Gegenteil von seinen beiden Landsmännern gewesen zu sein scheint. Nicht nur starb er im Vergleich zu Plečnik und Jakopič jung – mit 42.
Er war wohl auch einer, den man heute einen Hallodri nennen würde: Er fiel auf für seine Frauengeschichten und seine Verschwendungssucht. Nach einer Feier soll der Autor einmal zwei Kutschen auf einmal bestellt haben. Eine für sich, eine für seinen Hut.
Lebemann hinterlässt lediglich drei Dinge
Logar erzählt diesen Schwank während des gemeinsamen Aufstiegs auf den Rožnik, einen Hügel nicht weit vom grossen Stadtpark Tivoli. Ziel ist das letzte Haus, in dem Cankar lebte, bevor er an einer Lungenentzündung starb.
Der Weg durch den Wald zeigt wieder, wie grün und idyllisch die Stadt ist – durch die Zweige der Blätter ist in der Ferne das Schloss, ein beliebtes Ausflugsziel, zu sehen.
Und wieder fühlt es sich nicht nach Grossstadt, schon gar nicht nach europäischer Landeshauptstadt an. Auch hier: alles ruhig.
Oben angekommen. Der einstige Wohnbereich Cankars ist gerade nicht zugänglich. Das sei nicht weiter schlimm, meint Logar.
Er berichtet, Cankar habe ohnehin nur drei Dinge hinterlassen: eine Geldbörse, eine Krawatte und eine Einladung zum Pavillon des Malers Jakopič.
Aber er wisse, dass der Slowene gerne Tee mit Rum getrunken hat. Daher gibt es das Getränk zum Abschluss in dem Café am Cankar-Haus, das beliebt ist bei Rožnik-Ausflüglern. Dazu reicht Logar Potica, Strudel mit Nussfüllung – typisch slowenisch.
Beim Essen erzählt der Tourguide eine letzte Anekdote auf dieser so erlebnisreichen Runde, aber die Gäste hören nur noch mit halbem Ohr hin.
Der Ausblick auf Ljubljana ist zu schön und der Rum entfaltet nach der mehr als dreistündigen Fahrt quer durch die Stadt ziemlich schnell seine Wirkung. Cankar hatte also ein Problem mit seiner Mutter? Oder war es andersrum? Unwichtig.