Donald Trump: Gaza-Pläne sind gemäss Experten «ethnische Säuberung»
Donald Trump will, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und nötigenfalls auch Truppen schicken. Experten schätzen seine Aussagen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Donald Trump hält die Umsiedlung der Palästinenser für die beste Lösung im Gaza-Konflikt.
- Er sagte ausserdem, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen werde.
- Experten bezeichnen seine Ideen als «ethnische Säuberung» und «imperiale Ansprüche».
US-Präsident Donald Trump traf sich gestern mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dabei schockte er mit einem neuen Vorstoss zum Nahost-Konflikt.
Der 78-Jährige will nämlich, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen. Und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln. «Die USA werden den Gazastreifen übernehmen», sagte Donald Trump.
«Wir werden ihn besitzen», betonte er. Dabei schloss er nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken.
Aus dem Gazastreifen könne so eine «Riviera des Nahen Ostens» werden. Die rund zwei Millionen Palästinenser, die im Gazastreifen zuhause sind, sollen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben.
Laut Politologin und USA-Expertin Sarah Wagner von der Atlantischen Akademie Rheinland Pfalz sollte man Trump grundsätzlich ernst nehmen.
Als US-Präsident nehme er eine einflussreiche Rolle in den internationalen Beziehungen ein. «Und schon seine Rhetorik und Äusserungen haben Einfluss auf die Politik und Märkte», sagt sie auf Anfrage.
«Privatinteresse am Gebiet»
Trumps Schwiegersohn, Jared Kushner, habe schon vor einem Jahr über die Option gesprochen, im Gazastreifen Anwesen mit Meeresblick zu bauen. «Donald Trump und sein Umfeld haben ein wirtschaftliches Interesse, eben auch ein Privatinteresse, am Gebiet der Palästinenser.»
Auch USA-Experte Thomas Greven von der Freien Universität Berlin hält fest, dass man bei Trump mit allem rechnen müsse. «Ich fürchte, er sieht vor allem das kommerzielle Potenzial eines Mittelmeerstrands», erklärt er auf Anfrage von Nau.ch.
Nahost-Experte Andreas Böhm von der Universität St. Gallen erklärt, dass Trumps Aussagen von den Staaten im Nahen Osten ernst genommen werden. «Schliesslich bedeutet die Umsetzung dieser Pläne eine massive Destabilisierung der betroffenen Staaten, zuvorderst Jordanien und Ägypten.»
Laut Wagner wolle sich der US-Präsident zudem als erfolgreicher «Macher» inszenieren. Und Veränderungen in der Region erwirken, die es zuvor noch nicht gegeben habe.
Seine aktuellen Aussagen seien absolut unverantwortlich in jeglichem Kontext. «Es spricht den Menschen vor Ort jegliches Mitspracherecht ab. Und es hat das Potential, die Lage vor Ort noch zu eskalieren.»
Trumps Aussagen für Netanjahu «Geschenk des Himmels»
Der Vorschlag verstosse nicht nur gegen das Völkerrecht. Er zeige auch «ein absolut eindimensionales Verständnis» der Lage und der Dynamiken im Nahen Osten.
Auch Greven glaubt, dass Donald Trump mit den Aussagen die aktuelle Waffenruhe bedroht: «Vor allem, wenn Netanjahu darauf einsteigt.»
Böhm sieht die Waffenruhe ebenfalls bedroht: «Denn jetzt sollten eigentlich die Modalitäten für dessen zweite Phase ausgehandelt werden, die den Rückzug der israelischen Armee beinhaltet. Ob es überhaupt zur zweiten Phase kommt, war von Beginn an fraglich, nun noch mehr.»
Für Netanjahu seien Trumps Aussagen «ein Geschenk des Himmels». Denn: «Er kann sie nutzen, um sie seinen rechtsextremistischen Koalitionspartnern als Vision zu verkaufen, damit sie ihm die Stange halten.»
Der 78-jährige Republikaner hat sich in der Vergangenheit immer als Präsident dargestellt, der die USA aus internationalen Konflikten raushält. Ist die Androhung, US-Truppen zu schicken, also nicht ein Widerspruch?
«Sprechen hier ganz konkret über ethnische Säuberung»
Laut Greven leiste er sich immer Widersprüche, manchmal innerhalb einer Rede – «es scheint seine Anhänger bisher nicht zu stören». Wagner sagt dazu: «Trump würde argumentieren, durch seinen Plan würde die Region befriedet werden und der Konflikt könnte beigelegt werden. Das ist natürlich Unsinn.»
Ganz im Gegenteil: Es wäre eine Eskalation der Lage und eine Vertreibung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. «Im Bezug auf seine Ideen für den Gazastreifen sprechen wir hier ganz konkret über ethnische Säuberung», sagt Wagner klar.
«Für die Arabische Welt wäre eine solche ethnische Säuberung nicht hinnehmbar», erklärt Nahost-Experte Böhm.
Das hätten die Aussenminister von Ägypten, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten in einem Brief an US-Aussenminister Rubio vor ein paar Tagen sowie der Kronprinz von Saudi-Arabien in einem Communiqué heute Nacht deutlich zum Ausdruck gebracht.
Donald Trump, ein «Möchtegernimperialist»
Bereits in den letzten Wochen hatte Donald Trump territoriale Ansprüche erhoben: So etwa auf den Panamakanal oder Grönland. Jetzt also auch auf den Gazastreifen.
Laut Wagner wolle er seine Macht ausbauen: «Innenpolitisch durch die Schwächung des Staatsapparats und aussenpolitisch durch eine geografische Expansion der USA.»
Dieses Machtstreben sei gekoppelt mit handfesten wirtschaftlichen Interessen, die die Trump-Regierung notfalls auch mit ökonomischer oder militärischer Gewalt durchsetzen möchte. «Das sind imperiale Ansprüche», so Wagner.
Trump sei sicherlich ein «Möchtegernimperialist», sagt Greven dazu. «Aber vor allem ein Spieler, der den Einsatz erhöht, um einen besseren Deal zu erreichen.»