Jetzt äussert sich Airline zur Absturz-Ursache
Nach dem Flugzeugabsturz in Kasachstan schildern Überlebende die Momente vor dem Absturz. An Bord herrschte Chaos und Verzweiflung.
Das Wichtigste in Kürze
- Überlebende berichten von den letzten Momenten vor dem Flugzeugabsturz in Kasachstan.
- Ein Überlebender erzählt: «Es gab eine Explosion».
Das Flugzeug, das am Mittwoch in Kasachstan abstürzte, wurde mutmasslich vom russischen Militär über Grosny beschossen.
Der Absturz eines Passagierflugzeugs aus Aserbaidschan in Kasachstan wurde nach vorläufigen Angaben der Fluggesellschaft durch eine «äussere Einwirkung» verursacht.
Laut ersten Untersuchungsergebnissen sei der Unfall, bei dem am Mittwoch 38 Menschen ums Leben kamen, auf «physische und technische Einwirkungen von aussen» zurückzuführen, erklärte Aserbaidschan Airlines über den Onlinedienst Telegram.
Experte: Die vorliegenden Bilder sind «sehr bestechend»
Die vorliegenden Bilder und Daten sprechen auch nach Ansicht eines Experten sehr für einen Abschuss durch Flugabwehr.
Offensichtlich hätten Geschosse in Form würfelförmiger Schrapnelle das Flugzeug durchlöchert, sagte Oberst Markus Reisner, Ukraine-Experte des österreichischen Bundesheers, im ORF-Radio.
Es habe sich wohl nicht um einen direkten Treffer, sondern um einen Nahtreffer gehandelt, sagte Reisner. Dabei wird nicht das Ziel selbst getroffen, sondern das Geschoss explodiert in nächster Umgebung. Reisner ging von einem unabsichtlichen Treffer aus, keinem gezielten Abschuss.
Andere Erklärungen für den Absturz wie ein technisches Problem oder Vogelschlag hält der Experte für wenig wahrscheinlich. Die vorliegenden Bilder seien «sehr bestechend».
Ukraine sieht Schuld bei Russland
Die Ukraine sieht die Schuld dafür bei Russland. Moskau müsse für den «Abschuss» der Maschine der Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines zur Verantwortung gezogen werden. Das hat der Chef der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak, nun auf der Plattform Telegram erklärt.
Von den 67 Passagieren an Bord überlebten 29 Menschen das Unglück. Sie befanden sich im hinteren Teil des Flugzeugs, der nach einer Explosion intakt blieb.
Nun berichten erste Passagierinnen und Passagiere vom Flugzeugabsturz.
Rechte Seite bei Flugzeugabsturz «weggerissen»
Kristina aus Wladiwostok ist eine der Überlebenden.
Sie schildert ihre Erfahrungen im Telegram-Kanal Mash: «Die Masken sind herausgefallen. Der Stewardess hat man angesehen, dass etwas passiert ist ...»
Die Crew wies die Passagiere an, sich am Vordersitz festzuhalten und den Kopf einzuziehen.
Kristina erinnert sich an zwei Schläge beim Aufprall: «Ich habe mich am Sitz festgehalten. Die rechte Seite, wo das Fenster war, wurde weggerissen... Der vordere Teil des Flugzeugs ist explodiert».
Trotz ihrer Verletzungen konnte sie sich nach dem Flugzeugabsturz aus dem Wrack befreien und überlebte.
«Alle waren panisch»
Subhonkul Rahimow, ein weiterer Überlebender, erzählt beim russischen staatlichen Fernsehsender «RT», von den Momenten vor der Explosion.
«Beim Landeanflug begann das Flugzeug plötzlich zu steigen. Beim dritten Landeanflug ist etwas explodiert.»
Über die Explosion sagt er: «Ich würde nicht sagen, dass es im Inneren des Flugzeugs war. Dort, wo ich sass, wurde die Verkleidung neben mir weggerissen.» Er beschreibt, wie Splitter in die Maschine eingedrungen seien.
Zaur Mamedov berichtet ebenfalls von seiner Erfahrung beim russischen TV-Sender: «Es gab zwei Schläge, grosse Schläge auf das Flugzeug ... Danach gab es Panik, alle waren panisch».
Als klar wurde, dass das Flugzeug schwer beschädigt war, versuchte die Crew die Passagiere zu beruhigen.
Doch dann kam der Absturz.
Mamedov erinnert sich: «Die Hälfte des Flugzeugs wurde zerrissen... Wir sassen im hinteren Teil ... wurden rausgeschleudert, so 100 bis 150 Meter Wer konnte, ist rausgekommen und half den anderen. Ich habe geholfen, wie ich konnte.»
Wollte Putin Abschuss vertuschen?
Derweil wird über die Absturzursache spekuliert. Zunächst hiess es, die Maschine habe einen Vogelschlag erlitten. Davon ging wohl zu Beginn auch die Crew aus.
Doch dem Flugzeug wurde offenbar eine Notlandung auf russischem Boden verweigert. Bilder des Wracks zeigen zudem Schäden, die kaum von Vögeln stammen.
Der Verdacht, dass es kein Unfall war und Russland seine Hände im Spiel hatte, verdichtet sich. Und es gibt weitere Anschuldigungen, die Putin nicht gut aussehen lassen.
Das aserbaidschanische Nachrichten-Portal «Caliber» berichtet: Die Maschine sei «von einem russischen Luftabwehrsystem vom Typ Pantsir-S angegriffen» worden.
Der Verdacht, den das Portal äussert: Russlands Behörden hätten versucht, den versehentlichen Beschuss der Maschine durch die eigene Luftabwehr zu vertuschen.
Denn: Statt die Maschine notlanden zu lassen, wurde sie übers Meer geschickt. Es wird spekuliert, dass die russischen Behörden hofften, es gebe so weder ein Wrack noch Zeugen.
Laut der These hätten die Überreste nach dem Flugzeugabsturz im Meer verschwinden sollen.
Kreml-Sprecher: «Untersuchung ist im Gange»
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte kühl, dass die aserbaidschanischen Äusserungen in Moskau bekannt seien.
Demnach gab es auch Forderungen in Baku, Moskau solle sich dafür entschuldigen, dass die Maschine von der russischen Flugabwehr erfasst worden und dadurch abgestürzt sei. Peskow lehnte das ab und forderte erneut, die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.
«Eine Untersuchung dieses Flugzeugvorfalls ist im Gange. Und bis die Schlussfolgerungen der Untersuchung vorliegen, halten wir uns nicht für berechtigt, Urteile zu fällen – und werden dies auch nicht tun», sagte Peskow. Solche Ergebnisse könnten nur von den russischen Luftfahrtbehörden, die den Fall untersuchten, kommen, meinte er.
Russische Behörde spricht von «komplizierter Situation»
Der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow, hat den Flugzeugabsturz ebenfalls kommentiert.
«Die Situation an diesem Tag und während dieser Stunden im Bereich des Flughafens von Grosny war sehr kompliziert», sagt er. «Ukrainische Kampfdrohnen führten zu diesem Zeitpunkt terroristische Angriffe auf die zivile Infrastruktur in den Gebieten Grosny und Wladikawkas.»
Demnach waren wegen der Gefahr durch die Drohnen keine Starts und Landungen in Grosny, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, erlaubt. Es war das erste Mal, dass eine offizielle russische Stelle einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Drohnenalarm und dem Absturz herstellte.
Jadrow äusserte sich nicht dazu, ob die Maschine womöglich durch eine ukrainische Drohne oder den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete beschädigt wurde und dann abstürzte.
Er sagte auch, dass in Grosny zu der Zeit dichter Nebel herrschte. Der Pilot der Maschine habe zwei Landeversuche unternommen – ohne Erfolg. Er sei dann Richtung Kasachstan abgedreht.