Mark Rutte: Ungarn hat in der EU «nichts mehr zu suchen»
Die Diskussion um das homosexuellen-feindliche Gesetz in Ungarn schlägt noch immer hohe Wellen. EU-Politiker wollen Ungarn sogar aus der EU ausschliessen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Ungarn ist ein homosexuellen-feindliches Gesetz in Kraft getreten.
- Viele EU-Politiker wehren sich vehement gegen das neue Gesetz.
- Einige sprechen gar von einem EU-Ausschluss Ungarns.
Viele EU-Staaten fürchten um die Grundrechte sexueller Minderheiten. Ungarns Premier Viktor Orban ficht das nicht an - er gibt sich gar als Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen. Beim EU-Gipfel gab es eine hitzige Debatte mit scharfer Kritik an Ungarn, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Das ungarische Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homo- und Transsexualität entzweit die Europäische Union.
Hat Ungarn noch Platz in der EU?
Einzelne Regierungschefs stellten sogar infrage, ob Ungarn bei der Fortsetzung der aktuellen Politik noch Platz in der EU haben kann. Sie brachten die Kürzung von EU-Geldern über den neuen Rechtsstaatsmechanismus ins Spiel. Klare Unterstützung für Ministerpräsident Viktor Orban hätten lediglich Polen und Slowenien signalisiert, hiess es.
Das ungarische Gesetz war in der Nacht zum Donnerstag in Kraft getreten. Orban will es nach eigenen Angaben nicht zurückziehen. Es verbietet Publikationen, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.
Staats- und Regierungschefs äussern in Brief Besorgnis
Angela Merkel und 15 Regierungschefs hatten in einem Brief ihre Besorgnis über die Bedrohung von Grundrechten sexueller Minderheiten deutlich gemacht.
«Respekt und Toleranz sind das Herzstück des europäischen Projekts», heisst es in dem Schreiben. «Wir sind entschlossen, diese Anstrengungen fortzuführen. Wir wollen dafür sorgen, dass die künftigen Generationen Europas in einem von Gleichberechtigung und Respekt geprägten Umfeld aufwachsen.»
Der Brief erwähnt als Anlass den International Lesbian Gay Bisexual and Transgender Pride Day am 28. Juni. Der Streit wurde dann aber auch Thema des EU-Gipfels.
Neben Deutschland wurde der Brief unter anderem von den übrigen EU-Gründerstaaten Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unterzeichnet. Von den östlichen EU-Staaten machten nur Estland und Lettland mit. Neben Ungarn fehlten auch Länder wie Polen, Slowakei, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien.
Ungarisches Gesetz diskriminiert Menschen
Die EU-Kommission und zahlreiche EU-Staaten sind der Auffassung, dass das ungarische Gesetz Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein entschiedenes Vorgehen der Kommission angekündigt.
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn nannte als mögliche Konsequenzen einen Zahlungsstopp von EU-Hilfen und einen Entzug des Stimmrechts. Allerdings sind die Hürden für einen solchen Schritt sehr hoch. Der Ausschluss eines Landes aus der EU gegen dessen Willen ist nach den Europäischen Verträgen gar nicht möglich.
Bei Orban sei offensichtlich «Hopfen und Malz verloren», sagte Asselborn bei NDR Info. Er gehe davon aus, dass der ungarische Premier «nicht mehr auf die europäische Schiene kommt». Das Gesetz sei schändlich und richte sich klar gegen nicht-heterosexuelle Menschen. «Er ist aber zu feige, das zu sagen.»
Rutte über Orban: «Er ist schamlos»
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte machte am Gipfel deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht. Dies, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht.
«Für mich haben sie dann in der Europäischen Union nichts mehr zu suchen», sagte er auf die Frage eines Journalisten. Zugleich machte Rutte deutlich, dass er von Orban keinen Kurswechsel erwartet. «Er ist schamlos», sagte er.
Orban weist jede Kritik an den neuen Regeln beharrlich zurück - und behauptet, er verteidige vielmehr die Rechte von Homosexuellen. Das Gesetz sorge dafür, dass Eltern alleine darüber entscheiden könnten, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollten. Dies erklärte der rechtsnationale Regierungschef.
Orban höhlt Pressefreiheit aus
Kritiker werfen ihm vor, neben den Rechten von Minderheiten auch demokratische Institutionen und die Pressefreiheit auszuhöhlen. Er habe sich die Justiz untertan gemacht und Ressentiments gegen Ausländer geschürt.
Auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel fand auf dem EU-Gipfel klare Worte für Orbans Haltung zur Homosexualität. Wer glaube, dass jemand wegen einer Werbung, eines Buches oder eines Films schwul geworden sei, verstehe das Leben nicht. Dies sagte der mit einem Mann verheiratete Politiker.