Coronavirus: In Österreich sinken die Zahlen – doch der Schein trügt
Die Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Österreich sinken. Die Deutschen sprechen sogar vom «Ösi-Wunder». Doch die Zahlen zeigen etwas anderes.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahlen in Österreich sinken seit Anfang Monat.
- Doch in den meisten Bundesländern sind sie fast konstant.
- Kanzler Kurz will ab Mai Öffnungsschritte vornehmen.
- In Vorarlberg sind die Restaurants schon offen – und die Zahlen steigen.
Die Corona-Zahlen in Österreich sinken. Die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 192,3 und damit um mehr als 50 tiefer als noch Anfang April. Zahlen, die offensichtlich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz euphorisch stimmen, denn ab Mai will er öffnen. In einem Radiointerview sagte er, dass er in der Gastronomie, der Kultur und dem Tourismus zu lockern plant.
Der vermeintliche Erfolg Österreichs ist auch in Deutschland aufgefallen. So fragt beispielsweise die «Bild»: «Wie hat unser Nachbarland denn DAS geschafft?» Das Boulevardblatt schreibt von fallenden Zahlen «ohne bundesweiten Lockdown». Doch von einem «Ösi-Wunder», wie es der «Spiegel» nennt, kann man kaum sprechen.
Massnahmen gegen das Coronavirus ähnlich wie in der Schweiz
Einen bundesweiten Lockdown im eigentlichen Sinn hat Österreich tatsächlich nicht. Eine abendliche Ausgangssperre gibt es zwar, wie in gewissen Teilen Deutschlands auch. Doch Österreicher dürfen beispielsweise zur «physischen und psychischen Erholung» ihre Wohnungen auch abends verlassen. Bundesweite Massnahmen, die dem Schweizer Shutdown im März ähneln und sogar leicht strenger sind, gibt es aber.
So sind Veranstaltungen untersagt, Restaurants und Bars geschlossen. Indoorsport ist verboten, ebenso wie Kontaktsport. Ab der Sekundarstufe haben Schüler jeden zweiten Tag Homeschooling, Studenten dürften gar nicht an die Unis.
Die Geschäfte sind zwar offen, doch körpernahe Dienstleistungen sind nur mit einem negativen Test erlaubt. Zudem gilt eine FFP2-Maskenpflicht in praktisch allen Innenräumen und im öffentlichen Verkehr.
Vor dem Hintergrund dieser doch recht strengen Massnahmen sind die sinkenden Fallzahlen weniger beeindruckend. Die Schweizer Massnahmen gegen das Coronavirus waren bis Anfang Woche sehr ähnlich. Doch hierzulande liegt die Inzidenzrate mit 164 Neuinfizierten pro 100'000 Einwohner innert sieben Tagen über dem Wert von Anfang April. Was sind denn nun die Gründe, weshalb die Zahlen in Österreich trotz ähnlicher Massnahmen sinken?
Niedrige Dunkelziffer durch viele Tests
Eine mögliche Erklärung ist die Teststrategie in Österreich. So müssen sich Schüler, die am Präsenzunterricht teilnehmen wollen, bis zu dreimal wöchentlich testen lassen. Nur weniger als zwei Prozent verweigerten dies. In der Schweiz werden Massentests an Schulen auf freiwilliger Basis durchgeführt.
Auch sonst wird in Österreich massenhaft auf das Coronavirus getestet. Mehrere Hunderttausend Tests werden täglich gemeldet. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt diese Zahl normalerweise bei ungefähr 30'000.
Mit der grossen Anzahl Tests kann die Dunkelziffer klein gehalten werden. Die Positivitätsrate liegt seit Februar konstant unter 1,5 Prozent und damit klar unter der Empfehlung der WHO von fünf Prozent.
Regionale harte Lockdowns
Eine weitere Erklärung können die regionalen Unterschiede in den Massnahmen gegen das Coronavirus sein. So wurden in den östlichen Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland harte Lockdowns verhängt. Dort leben über 40 Prozent der Bevölkerung von insgesamt knapp unter neun Millionen.
Diese harten Lockdowns gelten in Wien und Niederösterreich noch bis mindestens Anfang Mai. Bis dahin gilt die Ausgangssperre mit gewissen Ausnahmen rund um die Uhr. Treffen dürfen sich nur noch maximal vier Erwachsene aus zwei Haushalten.
Bis auf Lebensmittelläden und Apotheken sind alle Geschäfte geschlossen. Auch die Schüler müssen zu Hause bleiben. Ausnahmen werden hier aber bei Abschlussklassen und Kindergärten gemacht.
Diese regionalen harten Lockdowns scheinen Erfolg zu bringen. In den «geschlossenen» Regionen sinken die Fallzahlen. Die übrigen Bundesländer verzeichnen hingegen etwa konstante oder nur leicht fallende Zahlen. Der Schein der national sinkenden Fallzahlen trügt also.
Lockerungen führen im Vorarlberg zu steigenden Zahlen
Während im Osten Österreichs die Massnahmen besonders hart sind, kam es im Westen schon zu grossen Öffnungsschritten: Im Vorzeigegebiet Vorarlberg sind die Restaurants seit Mitte März bereits wieder geöffnet – und zwar draussen, wie drinnen. Mit einem negativen Testresultat wird Einlass gewährt. Das hat sich stark auf die Testzahlen ausgewirkt: Fast ein Drittel der Vorarlberger lässt sich wöchentlich auf das Coronavirus testen.
Doch auch auf die Fallzahlen hat die Restaurant-Öffnung eine Auswirkung: Sie steigen wieder klar an, wohl auch da viel mehr getestet wird. Mitte März lag die Inzidenzrate noch bei knapp über 60, aktuell bei 170 und damit wieder nahe am österreichischen Durchschnitt. Trotzdem bleiben die Gastrobetriebe offen.