EU

EU-Gipfel streitet über Linie zur Türkei - Erdogan reagiert mit Häme

Keystone-SDA
Keystone-SDA

Belgien,

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich beim EU-Gipfel für ein konstruktives Verhältnis zur Türkei stark gemacht - trotz des Gasstreits im östlichen Mittelmeer.

kaliningrad
Ein EU-Gipfel. (Archivbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU will Geschlossenheit und Entschlossenheit in der Aussenpolitik demonstrieren.
  • Recep Tayyip Erdogan nannte die EU ein «einflussloses und oberflächliches Gebilde».

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich beim EU-Gipfel für ein konstruktives Verhältnis zur Türkei stark gemacht - trotz des Gasstreits im östlichen Mittelmeer. Das Land sei Partner in der Nato und der Flüchtlingsfrage, betonte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Brüssel. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz gab indes Kontra: Er forderte neue Sanktionen gegen Ankara. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äusserte sich verächtlich und nannte die EU ein «einflussloses und oberflächliches Gebilde».

Hintergrund ist, dass die Türkei im östlichen Mittelmeer Erdgasfelder erforschen lässt, was Griechenland und Zypern für illegal halten.

Die EU hatte der Türkei deshalb Ende August ein Ultimatum gesetzt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht. Merkel hatte versucht zu vermitteln.

Annäherung Griechenland und Türkei

Pünktlich zum Gipfel wurde bekannt, dass sich Griechenland und die Türkei unter dem Dach der Nato - der beide Staaten angehören - angenähert haben: Sie hätten sich auf einen Mechanismus zur Vermeidung militärischer Zwischenfälle im östlichen Mittelmeer geeinigt, teilte das Bündnis mit. Unter anderem solle eine neue «Hotline» Konflikte auf See und in der Luft vermeiden.

Erdgasstreit im Mittelmeer
Das türkische Forschungsschiff «Oruc Reis» ankert vor der Küste von Antalya im Mittelmeer. - dpa

Im Konflikt der Türkei mit Zypern zeigt sich allerdings nach EU-Angaben keine ähnliche Bewegung. Und das blockiert die Gemeinschaft in einer weiteren wichtigen aussenpolitischen Frage: bei den geplanten Sanktionen gegen Politiker in Belarus wegen Wahlfälschung und Gewalt gegen die Opposition.

Die 27 Länder sind sich eigentlich einig, Strafmassnahmen zu verhängen. Zypern blockierte bisher jedoch, weil es gleichzeitig Sanktionen gegen die Türkei durchsetzen will. Ein Entwurf der Gipfelerklärung geht nun davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs einigen können, Zypern den Widerstand aufgibt und die «restriktiven Massnahmen» rasch verhängt werden. Darüber wurde aber nach Gipfelstart am Nachmittag noch diskutiert.

EU-Kommissionschefin will Deeskalation

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, sie sei sicher, dass sich der Gipfel hinter Griechenland und Zypern stelle.

EU-Sondergipfel
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, begrüsst Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, bei einem Rundtischgespräch beim EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates. - dpa

An die Türkei richtete sie einen Appell: «Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder steigen die Spannungen weiter, das wollen wir nicht. Oder es gibt eine Deeskalation und wir bewegen uns hin zu einer konstruktiven Beziehung. Das wollen wir.» Für beide Fälle habe die EU die nötigen Instrumente zur Hand. Ähnlich äusserte sich der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis.

Sebastian Kurz will Abbruch der Beitrittsgespräche

Österreichs Kanzler Kurz hingegen plädierte für neue Strafmassnahmen und begründete dies nicht nur mit dem Streit über die Erdgas-Erkundung, sondern auch mit Drohungen Ankaras in der Flüchtlingspolitik.

EU-Sondergipfel
Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, mit Mund-Nasen-Schutz trifft zu einem EU-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates ein. Angesichts des Erdgaskonflikts im östlichen Mittelmeer beraten die EU-Staats- und Regierungschefs am 01.10.2020 bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel über den weiteren Umgang mit der Türkei. Foto: Aris Oikonomou - dpa

«Wir haben es immer wieder erlebt, dass die Türkei Migranten als Waffe gegenüber Europa eingesetzt und versucht hat, die Europäische Union zu erpressen. Auch das ist nicht akzeptabel.» Auch für den Abbruch der Beitrittsgespräche werde er sich stark machen, sagte Kurz.

Erdogan: «EU hat noch kein Problem gelöst»

Etwa zeitgleich meldete sich Präsident Erdogan aus der Türkei zu Wort und sagte: «Die Europäische Union ist als Geisel der Frechheiten Griechenlands und der griechischen Zyprer zu einem einflusslosen und oberflächlichen Gebilde ohne Weitblick verkommen.» Es gebe kein einziges Problem in der Region, das auf Initiative der EU gelöst worden sei. Vielmehr hätten Interventionen der Union Krisen nur vergrössert.

EU-Ratschef Charles Michel hatte den zweitägigen Sondergipfel einberufen, um Geschlossenheit und Entschlossenheit der EU in der Aussenpolitik zu demonstrieren. Mit der Türkei und Belarus standen auch die Beziehungen zu China, die Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny in Russland und der Konflikt in Berg-Karabach auf der Tagesordnung.

Alexej Nawalny
Laut Kreml-Kritiker Nawalny soll der russische Präsident Wladimir Putin hinter dem Attentat stecken. - dpa

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, nach seinen Informationen seien in Berg-Karabach auch Kämpfer dschihadistischer Gruppen aus Syrien aktiv, die über die Türkei in die Region gekommen seien. Das sei eine «sehr ernste Sache».

Thema ist zudem die «Strategische Autonomie» der EU bei wichtigen Gütern wie Medikamenten, aber auch bei digitaler Infrastruktur. Ziel sind dem Entwurf der Gipfelerklärung zufolge zum Beispiel eigene europäische Computer-Clouds sowie ein einheitliches europäisches System zur elektronischen Identifizierung - genannt e-ID.

Kommentare

Mehr in News

gm
Doug Burgum
2 Interaktionen
GenZ Lehrling
18 Interaktionen

Mehr EU

Tabu-Bruch
2 Interaktionen
1 Interaktionen
1 Interaktionen

Mehr aus Belgien

Facebook
13 Interaktionen
6 Interaktionen
borrell
15 Interaktionen