So erlebt dieser Berner die Lage in Frankreich
Frankreich macht schwere Tage durch. Einerseits gilt seit heute der Lockdown, andererseits herrscht Terroralarm. Severin Stalder (30) ist mittendrin.
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Das Wichtigste in Kürze
- In Frankreich herrscht zugleich Lockdown und höchste Terrorwarnstufe.
- Ein in Paris lebender Berner gibt Auskunft über die Stimmung im westlichen Nachbarland.
Frankreich durchlebt eine Woche, wie sie es vermutlich noch nie gegeben hat.
Nach einem starken Anstieg der Corona-Neuinfektionen traf Präsident Emmanuel Macron strikte neue Massnahmen. Ab heute Freitag ist der zweite Lockdown Realität. Er gilt bis mindestens 1. Dezember und ist ähnlich wie der Lockdown im Frühling. Schulen und Bildungseinrichtungen bleiben hingegen offen.
Als wäre damit nicht genug, schockierten drei Messerattacken die «République». Und das nur kurz nach dem brutalen Mord an einem Lehrer in Paris. Frankreich rief deshalb am Donnerstag die höchste Terrorwarnstufe aus. Innenminister Gérald Darmanin schliesst weitere Terrorangriffe nicht aus und spricht von Krieg gegen eine islamistische Ideologie.
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Berner Student in Paris erzählt
Severin Stalder (30) ist Berner und lebt seit über vier Jahren in Paris, wo er Chiropraktik studiert. «Es ist eine grosse Anspannung zu spüren», sagt er. «Vielen Leuten geht es an die Existenz, gerade in den Vororten von Paris. Dies führt zu einer grossen Unzufriedenheit und somit sicherlich auch zu Gewaltausbrüchen.»
Auch Rassismus sei im Moment ein grosses Thema. «Ein Studiumsfreund, welcher den Islam praktiziert, hat mir erzählt, er sei täglich damit konfrontiert. Deswegen habe ich persönlich fast mehr Angst von der Reaktion der Menschen auf diese Einschränkungen als vor dem Virus.»
Lockerer Lockdown als im Frühling
Der erneute Lockdown sei gemäss seinen Freunden lockerer als der erste im Frühling. Stalder weilte damals in der Schweiz. «Das medizinische Personal kann normal weiterarbeiten. Im März waren zum Beispiel Physio-, Chiro- und Osteo-Praxen zu.» Das gleiche gelte für Schulen und Kitas. «Dies entlastet viele Familien.»
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Mit einer Bewilligung kann Stalder seine Wohnung im Pariser Bastille-Quartier verlassen. Dies im Umkreis von einem Kilometer, ausser er geht ins Praktikum an einer Klinik. Ob diese offen bleibt, erfährt er am Freitagabend.
Von seiner heutigen Jogging-Runde innerhalb des Kilometer-Umkreises hat Severin Stalder folgenden Eindruck: «Verglichen mit der Normalität hatte es hier im Zentrum wenig Leute draussen.»
Es scheint die Ruhe nach dem Sturm. «Gestern, am Tag nach Macrons Ansprache, war ganz Paris blockiert durch Staus», berichtet der Student. «Alle Leute gingen nochmals nach draussen und profitierten.»