Ukraine-Krieg: Gegenschlag könnte schnelleren Frieden bringen
Mit der ukrainischen Offensive auf russischem Staatsgebiet hat sich die Dynamik im Ukraine-Krieg verändert. Dadurch könnte der Konflikt schneller zu Ende gehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ukrainische Truppen kämpfen erstmals auf russischem Staatsgebiet.
- Die Ereignisse könnten zu einem schnelleren Frieden im Ukraine-Krieg führen.
- Denn durch ihre Offensive könnte die Ukraine einen Verhandlungsvorteil haben.
Am Dienstag drangen ukrainische Truppen erstmalig in russisches Staatsgebiet ein. Im Gebiet Kursk wird seitdem an zahlreichen Orten gekämpft. Die Ukrainer greifen mit Drohnen und Schützenpanzern an – Tausende russische Bürger mussten aus den betroffenen Grenzortschaften fliehen.
Seit Herbst 2022 ist es wohl der grösste Gebietsgewinn für die Ukrainer. Zu der genauen militärischen Lage in Kursk halten sich beide Kriegsparteien jedoch bis anhin bedeckt. Am Donnerstag sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lediglich: «Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat.»
Ukraine-Krieg könnte schneller zu Ende gehen
Andreas Umland, Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropa-Studien, liefert eine Einschätzung zur Situation im Ukraine-Krieg. «Die Operation zeigt, dass die Ukraine in der Lage ist, Überraschungen zu erzielen», so der Deutsche im Magazin «Foreign Policy».
Da sich Kiew zu den Ereignissen weitgehend bedeckt halte, sei es noch zu früh, um die strategischen Ziele der Offensive zu durchschauen. Doch: «Eine Spekulation, die viel Zuspruch gefunden hat, ist, dass sie zu einem schnelleren Ende des Krieges führen könnte», so Umland.
Die Operation mache dem russischen Präsidenten Wladimir Putin klar, dass die Ukraine noch immer erhebliches Potenzial habe, Russland wehzutun. Und wenn die Kontrolle über das eroberte russische Staatsgebiet aufrechterhalten bleibe, werde der Einfluss von Kiew bei Verhandlungen gestärkt.
Umland sagt: «Schon jetzt untergräbt der Blitzvorstoss der Ukraine nach Russland die weitverbreitete Vorstellung, dass Putin alle Trümpfe in der Hand hat, um die Bedingungen eines Waffenstillstands zu diktieren.»
Tausch der besetzten Gebiete
Laut dem Osteuropa-Experten könne das Ziel der Offensive darin bestehen, sich eben diesen Verhandlungs-Vorteil für die Ukraine zu sichern. Denn: «Das besetzte Russland könnte gegen die besetzte Ukraine eingetauscht werden», so Umland.
Dies bestätigt ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegenüber der «Washington Post»: «Das wird ihnen den nötigen Einfluss für die Verhandlungen mit Russland verschaffen – darum geht es.»
Dass die Ukraine für die Verhandlungen bereit ist, deutete Selenskyj schon mehrmals an. Wohl auch wegen der wachsenden Kriegsmüdigkeit in der ukrainischen Bevölkerung. Weiter kritisierten westliche Mächte immer wieder, dass sich Kiew im Ukraine-Krieg lange nicht auf Verhandlungen einlassen wollte.