Attacke in Lugano: Terror-Experten ordnen Gefahrenlage ein
Am Dienstag verletzte eine Angreiferin in Lugano zwei Frauen. Ein terroristischer Hintergrund scheint aktuell wahrscheinlich. Zwei Terror-Experten ordnen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Manor in Lugano griff am Dienstag eine Schweizerin (28) mit einem Messer 2 Frauen an.
- Die Behörden erklärten, dass die Frau der Polizei bereits bekannt war.
- Zwei Terror-Experten bewerten die Gefahrenlage und die Arbeit der Behörden.
Vor gut drei Wochen sorgte der Terror-Anschlag in Wien für weltweite Schlagzeilen. Ein radikalisierter Islamist tötete in der Wiener Innenstadt vier Menschen. Auch die Schweiz ist nicht gegen Terror gefeit – dies bewies der Angriff einer 28-Jährigen am Dienstag in Lugano. Sie verletzte im Manor zwei Frauen mit einem Messer.
An einer Pressekonferenz am Abend wird klar: Die Frau war der Polizei bekannt, ein terroristischer Hintergrund wird nicht ausgeschlossen. Die Polizei gehe Hinweisen nach, dass die Frau Sympathien für die Terrormiliz IS geäussert habe.
Für Dirk Baier, Experte für Kriminalprävention an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), ist dies kein Versagen der Behörden.
«Die Täterin hat wahrscheinlich noch nichts getan, was eine Haft gerechtfertigt hätte.» Im Gegenteil: «Aus meiner Sicht sollte dieser Vorfall nicht als Versagen der Arbeit des Fedpol eingestuft werden – es ist ja gerade ein gutes Zeichen, dass sie dem Fedpol bekannt war.»
Sympathie alleine reicht nicht für Festnahme
Ins gleiche Horn bläst auch Mauro Mantovani, Dozent für Strategische Studien an der Militärakademie der ETH Zürich. «Die Täterin dürfte eine sogenannte Gefährderin sein, die den Strafverfolgungsbehörden bekannt war, weil sie mit der dschihadistischen Ideologie sympathisierte und möglicherweise als potenzielle Gewalttäterin galt.» Dies allein reiche aber nicht aus, um eine Person in Gewahrsam zu nehmen.
Weshalb die Frau gerade Lugano als Ziel der Attacke gewählt hat, ist nicht bekannt. Mantovani sieht die Stadt als «Opportunitätsziel».
Auch Baier denkt, dass das Ziel eher zufällig gewählt wurde. «Der Übergriff hätte genauso in Genf, Bern oder Zürich erfolgen können», so der Experte. Generell sei die Terrorgefahr in der Schweiz aber gering.
«Laut dem Nachrichtendienst des Bundes besteht in der Schweiz weiterhin eine erhöhte Terrorgefahr. Diese ist aber geringer im Vergleich zu Nachbarländern wie etwa Frankreich oder Deutschland», so Mantovani.
Braucht die Schweiz stärkere Massnahmen?
Nach der Attacke in Wien kündigte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz schnell neue Massnahmen in der Terrorbekämpfung an. Wäre dies auch in der Schweiz nötig? Baier findet die Diskussion unvermeidlich, aber «überflüssig».
«Man kann nicht hunderte Menschen, sogenannte Gefährder, einsperren in der Hoffnung, eventuell einen Terror-Anschlag zu verhindern. Ein Restrisiko wird immer bleiben», begründet der Kriminalpräventions-Experte.
Sein Vorschlag: «Es ist viel wichtiger, das nahe Umfeld, die Schulen, Familien usw. hinsichtlich der Prävention von Extremismus zu stärken.»