Betroffene fordern Neudefinition der Vergewaltigung im Strafrecht
Nach aktuellem Strafrecht gilt eine Vergewaltigung nur als solche, wenn eine Nötigung stattgefunden hat. Eine Gruppe von Betroffenen will dies ändern.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Sexualstrafrecht in der Schweiz soll neu definiert werden.
- Dafür engagiert sich eine Gruppe von sexueller Gewalt betroffener Frauen.
- So soll eine Vergewaltigung auch ohne Nötigung als solche behandelt werden.
Anlässlich des internationalen Frauentags haben zehn von sexueller Gewalt betroffene Frauen zu einer Reform des Sexualstrafrechts aufgerufen. Sie wollen gemäss Mitteilung Bundesrat und Parlament davon überzeugen, dass Sex ohne Zustimmung künftig gesetzlich als Vergewaltigung gelten soll.
Um ihrem Anliegen mehr Gehör zu verschaffen, gründeten die Frauen eine Gruppe, in der sich Betroffene von sexueller Gewalt engagieren. Unterstützt werden sie dabei von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Zu den Protagonistinnen zählen unter anderem Cindy Kronenberg, Präsidentin des Vereins «vergewaltigt.ch», und Morena Diaz, die 2020 ihr erlebte Vergewaltigung publik gemacht hatte.
Konkret fordert die Gruppe das Parlament dazu auf, alle Formen von nicht-einvernehmlichem Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung zu definieren. Die Straftatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung sollten entsprechend angepasst werden. Laut Amnesty anerkennen zwölf europäische Länder nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung.
«Sexueller Übergriff» statt «Vergewaltigung»
In der Schweiz befindet sich derzeit eine Revision des Sexualstrafrechts in der Vernehmlassung. Der Entwurf der Bundesverwaltung sieht allerdings vor, nicht-einvernehmlichen Geschlechtsverkehr bloss als «sexuellen Übergriff» und nicht als «Vergewaltigung» zu ahnden.
Zur Diskussion steht zudem eine Ausweitung des Begriffs der Vergewaltigung, damit neu auch bestimmte beischlafsähnliche Handlungen unter den Begriff fallen. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-S) entschied sich gegen die in der Öffentlichkeit oft diskutierte «Zustimmungslösung».
Frauen, die Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen erlebten, würden im aktuellen Gesetzesentwurf nicht ernst genommen, schreiben die betroffenen Frauen. Sexuelle Gewalt könne mit oder ohne Nötigung stattfinden. In beiden Fällen handle es sich um eine traumatische Erfahrung mit schweren Konsequenzen für die Betroffenen. Es sei falsch zu behaupten, dass die Abwesenheit von Nötigung weniger gravierend sei.