AHV: «Nach Rechenfehler ist klar: Alle kriegen eine Rente!»
Nie habe er erwartet, dass die AHV-Berechnungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen nicht stimmen würden, schreibt Adrian Wüthrich im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Ausgaben für die AHV fallen deutlich tiefer aus als bisher angenommen.
- Laut dem Bund hat man die Kosten für 2033 um rund sechs Prozent nach unten korrigiert.
- Die Forderung nach einer Wiederholung der Abstimmung zum Frauen-Rentenalter wird laut.
- Ein Gastbeitrag von Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse.
Nach dem Rechnungsfehler bei den AHV-Finanzen sind die Zahlen weniger negativ. Damit die 13. AHV-Rente finanziert ist, es der AHV auch in Zukunft gut geht und alle eine Rente erhalten, braucht sie trotzdem zusätzliches Geld.
Den Start nach meinen Ferien habe ich mir anders vorgestellt: Zuerst sinken am Montag die Börsenwerte, was schlecht ist für den AHV-Fonds. Als Mitglied des Anlageausschusses weiss ich natürlich, das kann immer geschehen.
Aber nie habe ich erwartet, dass unser Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) bekannt geben muss, dass seine Berechnungen der AHV-Finanzperspektiven nicht stimmen.
Egal, welche Position man in der politischen Diskussion vertritt, die Zahlen des BSV werden im Grundsatz als verlässliche Grundlage betrachtet. Der Fehler ist umso ärgerlicher, wenn wir an die letzten intensiven Diskussionen zur AHV denken.
Fehler passieren – Vertrauen nicht verloren
Immerhin: Das BSV hat den Fehler bei Neuberechnungen entdeckt und öffentlich kommuniziert. Das Vertrauen habe ich nicht verloren. Fehler können passieren, ich kritisiere das BSV deshalb nicht.
Ein solcher Fehler darf aber nicht mehr vorkommen. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie viele Fehler in weiteren Programmierungen stecken können, denen wir in unserer digitalen Welt tagtäglich vertrauen.
Zahlen keinen negativen Einfluss auf Entscheide
Als Mitglied des Verwaltungsrates von Compenswiss bin ich mitverantwortlich für den AHV-Fonds. Was nach den AHV-Ausgaben noch übrig bleibt, versuchen wir sicher anzulegen und sicherzustellen, dass die Renten jederzeit bezahlt werden können. Wir basieren in unseren Arbeiten auf genau diesen AHV-Finanzperspektiven.
Sie sind eine wichtige Grundlage beim Entscheid, wie wir das Geld des Fonds anlegen (mehr darüber auf compenswiss.ch). Nach heutigem Wissen hatten die falschen Zahlen noch keinen negativen Einfluss auf unsere Entscheide.
Zahlen nicht extern überprüft
Es macht eigentlich keinen Sinn, neben dem BSV für den AHV-Fonds selber Berechnungen anzustellen. Sie müssen aber stimmen. Für die Oberaufsicht als Verwaltungsrat müssen Zahlen der Geschäftsführung überprüft werden.
Dafür werden interne und externe Kontrollorganisationen aufgezogen, um Zahlen von einer zweiten Stelle plausibilisieren zu können.
Als Compenswiss-Verwaltungsratsmitglied erhalte ich dann die Berichte dieser Kontrollen und kann beruhigter schlafen, wenn alles korrekt und im grünen Bereich ist. In diesem Sinne bin ich erstaunt, dass die Zahlen vom BSV offenbar nicht extern überprüft wurden. Die Lehre ist gezogen und das BSV will externe Kontrollen zulassen und gar zusätzliche Modelle entwickeln.
Unabhängig des Rechnungsfehlers muss ich zu den aktuellen Diskussionen sagen: Die AHV-Finanzen werden künftig nicht dem Gesetz entsprechen, wenn nicht zusätzliches Geld in den Fonds fliesst. Im AHV-Gesetz steht klar: «Der AHV-Ausgleichsfonds darf in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken.»
Ende 2023 lag der Fondsbestand mit 99,9 Prozent einer Jahresausgabe. Steigen die Einnahmen stärker als die Ausgaben wie 2024 und 2025, steigt der Fonds. Steigen die Ausgaben, steigt die gesetzliche Soll-Höhe des Fondsbestands. Dies kann mit den zusätzlichen Anlageerträgen erreicht werden, nach der BSV-Korrektur sieht es besser aus.
Abstimmungsergebnis ist klar
Mit der 13. AHV-Rente, die von einer klaren Mehrheit an der Urne Anfang März angenommen wurde, braucht es auch mit den neuen Finanzperspektiven pro Jahr zusätzliche Einnahmen von bis zu fünf Milliarden.
Dass die Vorschläge des Bundesrates jetzt nicht nötig seien, wie teilweise in den letzten Tagen gehört, erachte ich als eine falsche Schlussfolgerung.
Das Abstimmungsergebnis ist klar, ein Trotzen der bürgerlichen Parlamentsmehrheit schädlich für die AHV – und gegen das Gesetz, weil der Fondsbestand droht, mittel- bis längerfristig nicht mehr einer Jahresausgabe zu entsprechen. Mit einem tieferen Fondsbestand können auch weniger Anlageerträge zur Finanzierung der AHV generiert werden. In den letzten zehn Jahren konnten Gewinne von 7,4 Milliarden Franken für die AHV-Renten verbucht werden. Auf diese sollten wir nicht verzichten.
Das sollte der Bundesrat berücksichtigen
Wer der AHV bewusst die Mittel vorenthalten will, will den Boden für Leistungskürzungen ebnen: tiefere Renten und höheres Rentenalter. Genau das ist das Gegenteil der Volksabstimmung vom 3. März 2024, als eine Mehrheit mit der 13. AHV-Rente für höhere, existenzsichernde Renten und mit 75 Prozent gegen ein höheres Rentenalter gestimmt hat.
Das sollte auch der Bundesrat bei seinen Vorschlägen für die Finanzierung der 13. AHV-Rente berücksichtigen und auf eine Senkung des Bundesanteils an die AHV verzichten. Bei der Ende 2026 in Aussicht gestellten nächsten AHV-Reform soll der Bundesrat zudem auf eine Rentenaltererhöhung verzichten. Auch dafür sprechen die neuen Finanzperspektiven.
Trotz aller politischen Diskussionen über die richtige Finanzierung scheint eines klar: Die AHV ist sicher, auch künftige Generationen werden eine AHV-Rente erhalten. Nach dem BSV-Rechenfehler kann man das noch einmal unterstreichen.
Zur Person: Alt Nationalrat Adrian Wüthrich ist Präsident von Travail.Suisse und Mitglied des Verwaltungsrats bei Compenswiss.