Hans-Ulrich Bigler

Hans-Ulrich Bigler: Nach 13. AHV braucht es einen Kurswechsel!

Hans-Ulrich Bigler
Hans-Ulrich Bigler

Knonaueramt,

Die Wirtschaft habe in der Bevölkerung einen grossen Vertrauensverlust erlitten. Eine Kolumne zur 13. AHV-Rente von Nau.ch-Kolumnist Hans-Ulrich Bigler.

Hans-Ulrich Bigler.
Nau.ch-Kolumnist und alt Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kampagnenführung zur 13. AHV sei blutleer gewesen.
  • Bei Economiesuisse hätten bereits im Oktober die Alarmglocken läuten müssen.
  • Eine Kolumne von alt Nationalrat Hans-Ulrich Bigler (SVP).

Die Abstimmung zur 13. AHV-Renteninitiative ist entschieden, das Resultat zu akzeptieren und an dieser Stelle nicht weiter zu diskutieren. Diskussionsbedarf besteht hingegen im Hinblick auf die Frage, was das Resultat für die Gegner bedeutet.

Und hier steht insbesondere auch die Wirtschaft im Fokus, im Speziellen die Economiesuisse – und dies in zweifacher Hinsicht. Eines vorneweg: Es gilt Verantwortung zu übernehmen und ein Kurswechsel ist dringend angezeigt.

Zunächst zur Kampagnenführung. In einem Wort: blutleer.

Zu keinem Zeitpunkt und in keiner Art und Weise vermochte die Kampagne auch nur geringste Emotionen auszulösen.

Griffige Inhalte, überzeugende Argumente fehlten weitgehend. Höhepunkt der Fehleinschätzung und gewissermassen ein Schuss in den Ofen: der von alt Bundesräten unterschriebene Brief an die Stimmbevölkerung.

Wie haben Sie bei der 13. AHV-Rente abgestimmt?

Interessant die Reaktionen der Betroffenen im Nachhinein. Alt Bundesrat Ogi im O-Ton: «Es war ein Fehler, tut mir leid.» Die Geschäftsführerin von Economiesuisse, Monika Rühl, zur NZZ: «Nein, dieser Brief war nicht kontraproduktiv.»

Eine krasse Fehleinschätzung, wie die Abstimmungsnachbefragung zeigt. Diese Haltung zeugt von Distanz zur Stimmbevölkerung und der Unfähigkeit, deren Stimmung auch nur im Ansatz wahrzunehmen. Ebenso fehlt es am politischen Gespür grundsätzlich.

Kampagnenstart wurde verschlafen

Seit dem Wahlkampf für das eidgenössische Parlament im August letzten Jahres dominiert das Argument «Kaufkraftverlust» die öffentliche politische Diskussion. Der Slogan wurde nahtlos in die Kampagne der Gewerkschaften übernommen.

Bereits im Oktober hätten angesichts der ausserordentlich hohen Zustimmungswerte bei Economiesuisse alle Alarmglocken läuten müssen. Passiert ist nichts, Courant normal, der Kampagnenstart wurde verschlafen.

Die Millionen werden es richten. Der Verweis von Rühl in der NZZ, inhaltlich sei der Arbeitgeberverband verantwortlich gewesen, ist eine billige Ausrede. Verantwortung zu übernehmen, geht anders.

Es fehlen Identifikationsfiguren

Noch gravierender ist indessen eine zweite Feststellung. Die Wirtschaft – und hier sind insbesondere die Grosskonzerne zu nennen – hat in der Bevölkerung in den letzten mehr als zwanzig Jahren einen grossen Vertrauensverlust erlitten.

AHV
In der Verordnung über die AHV gibt es eine Liste von Branchen, für welche die Beitragsbefreiung von geringfügigen Löhnen explizit nicht gilt. Dies soll sich nun ändern. (Themenbild) - sda - KEYSTONE/GAETAN BALLY

Zwar ist richtigerweise die Wichtigkeit der Grosskonzerne für unsere Volkswirtschaft nach wie vor unbestritten. Hingegen fehlen Identifikationsfiguren weitestgehend. Ein direkter Draht von Konzernleitungen zur Bevölkerung oder vertrauensbildende Massnahmen sind nicht auszumachen.

Anstelle von Verständnis für die Belange der Konzernführung dominieren in der Bevölkerung Unwillen und Kritik gegenüber den überbordenden Lohnzahlungen in Millionenhöhe, Missmanagement, Bankencrashs – alles Stichworte, die schon zur Genüge zu hören waren. Entscheidender, diese Stimmung ist nicht neu.

Es lohnt deshalb, zurückzublenden bis zur Abzockerinitiative. Pro memoria, lanciert wurde sie im Jahr 2005 und kam 2013 zur Abstimmung. Zum grossen Erstaunen der Wirtschaft wurde die Initiative angenommen.

Bereits damals nahm diese Initiative eine Stimmung in der Bevölkerung auf, die auch heute, zwanzig Jahre später, innerhalb der Bevölkerung unverändert dominiert und von Misstrauen und Unwillen gegenüber gewissen Fehlentwicklungen in der Wirtschaft geprägt ist.

Und sie hält an, wie die Aktionärsvoten an der Generalversammlung von Novartis diesen Dienstag eindrücklich aufzeigten. Diese Entwicklung wird von Economiesuisse offenbar nicht wahrgenommen und es wird ihr auch nichts Griffiges entgegengesetzt.

Vertrauensverhältnis muss wiederhergestellt werden

Wie verheerend das ist, hat nicht erst das vergangene Abstimmungswochenende gezeigt. Bereits vor zwei Jahren wurde die Konzernverantwortungsinitiative nur dank des Ständemehrs mit viel Mühe und noch viel mehr Glück gewonnen.

Was ist also zu tun? Das Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Wirtschaft muss wiederhergestellt werden.

Es ist nicht so, dass die Stimmbürger grundsätzlich nicht Verständnis für die Anliegen der Unternehmungen – Konzerne wie KMU – hätten. Was sie aber definitiv nicht mehr akzeptieren, ist abgehobenes Fehlverhalten.

Economiesuisse, die sich gerne als «die Wirtschaft» versteht, ist hier in der Verantwortung.

Die nächsten sozialpolitischen Abstimmungen stehen in Kürze bevor, erste Umfragen lassen nichts Gutes erwarten. Die Medien titeln mit Blick auf die nächsten Abstimmungen im Juni bereits, dass «eine neue Schlappe droht».

Ein Neubeginn ist deshalb zwingend. Konkret: die Geschäftsführerin der economiesuisse, in der Bundesverwaltung gross geworden und von der Verwaltungskultur geprägt, ist unmissverständlich zum Rücktritt aufzufordern.

Eine personell neu besetzte Verbandsführung muss in der Folge die anspruchsvolle Herausforderung in Angriff nehmen, um langfristig das angeschlagene Vertrauensverhältnis Bevölkerung–Wirtschaft wieder zu kitten.

Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.

Kommentare

User #4050 (nicht angemeldet)

Meine Mutter ist nun in Alters- und Pflegeheim. Das kostet etwa 8000.- im Monat. Das ist Wahnsinn. Das kann man sich gar nicht leisten, selbst, wenn man noch arbeitet. Also läuft alles über Eränzungsleistungen, was ich persönlich entwürdigend empfinde. Hier wurde still und heimlich eine ganze Industrie aufgebaut, um mit den Alten dickes Geld zu verdienen, auf Kosten der Allgemeinheit.

User #4325 (nicht angemeldet)

Lösung: einfach mit den 12 AHV Monats-Löhnen runter und auf den 13ten verteilen, dann passt es wieder locker

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