Warum «schneller, grösser, mehr» nicht immer funktioniert
Der Ansatz «schneller, grösser, mehr» mag verlockend erscheinen, stösst jedoch auf natürliche Grenzen und kann unerwartete Probleme verursachen. Eine Kolumne.
Das Wichtigste in Kürze
- Alexandra Lüönd (37) hat 2017 die Beauty2Go-Klinik gegründet.
- Für Nau.ch schreibt sie eine monatliche Kolumne über Beauty-Themen.
Wie man kürzlich lesen konnte, ist eine unserer grössten Mitbewerberinnen im Bereich Ästhetik, die «Hair & Skin»-Gruppe, insolvent gegangen. Was einem Schönheitsunfall im Zeitraffer gleicht, ist eine Mahnung für die gesamte Branche!
Die letzten Tage waren eine echte Achterbahnfahrt: Das Konkursverfahren gegen «Hair & Skin» hat viele von uns tief getroffen. Ein Konkurs ist für alle Beteiligten (Mitarbeitende, KundInnen, InvestorInnen und GründerInnen) eine schwierige Situation, die ich niemandem wünsche. Mein Mitgefühl gilt ganz ehrlich allen Betroffenen.
Ich bin überzeugt: «Hair & Skin» wollte zu viel zu schnell. Die Vision, Haartransplantationen zu enttabuisieren und für alle erschwinglich zu machen, klang vielversprechend.
20 Kliniken nach drei Jahren
Ermöglicht werden sollten die kleinen Preise à la Türkei durch Grössenvorteile, sprich durch Quantität. Entsprechend wurde das Wachstum von Beginn weg mit Vollgas vorangetrieben. Nur rund drei Jahre nach Gründung zählte das Unternehmen bereits über 20 Kliniken.
Für den Schweizer Markt, der Neuem gegenüber skeptisch ist und Qualität meist mehr zu schätzen weiss als Quantität, war das jedoch zu viel des Guten. Ganz besonders in einer so sensiblen Branche wie der Schönheitsmedizin.
Bin ich in den besten Händen?
Mit der Erweiterung des Angebots um minimalinvasive Eingriffe wie Eigenbluttherapie (PRP) wuchsen die Probleme von «Hair & Skin» nur noch weiter.
ÄrztInnen, die ihre Tätigkeit nach langjähriger Ausbildung auf einfache Injektionen von Eigenblut reduzieren müssen, verlassen solche Kliniken in der Regel schnell. Zurück bleiben PatientInnen, die sich fragen, ob sie wirklich in den besten Händen sind.
Die Überschuldung in Höhe von 13 Millionen Franken, die letztlich zur Insolvenz führte, verdeutlicht die erheblichen Risiken, die entstehen, wenn finanzielle Stabilität zugunsten von Expansion geopfert wird.
Als Unternehmerin kann ich nur warnen
Es stellt sich die Frage, ob das Unternehmen ausreichende Rückstellungen für ausstehende Forderungen (Debitoren) und zukünftige Behandlungen getroffen hat. Insbesondere in Anbetracht der verkauften Behandlungspakete, die oft für ein bis zwei Jahre im Voraus bezahlt wurden.
Als Unternehmerin kann ich nur warnen: Wer zu schnell wachsen will, verliert den Blick fürs Wesentliche.
Eine nachhaltige und stabile Entwicklung braucht Zeit und vor allem ein tiefes Verständnis für den Markt und die Bedürfnisse der Kunden. In unserem Unternehmen sind wir seit bald acht Jahren ausschliesslich aus Eigenmitteln gewachsen, ohne den Druck von Investoren und den Finanzmärkten im Nacken.
Wir haben den Markt Stück für Stück kennengelernt und unser Angebot in kleinen, aber sicheren Schritten ausgebaut. Wir setzen ein solides Fundament, auf dem wir kontinuierlich aufbauen können, ohne die Gefahr einzugehen, dass das ganze Konstrukt ins Wanken gerät.
Die Insolvenz von «Hair & Skin» sollte unsere Branche nachdenklich machen. Zugleich bietet sie aber auch die Chance, aus dem Scheitern anderer zu lernen.
Ich appelliere an meine KollegInnen: Lasst uns nicht den Fehler machen, das schnelle Wachstum um jeden Preis anzustreben. Qualität, Vertrauen und eine schrittweise Expansion sind der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Und am Ende auch der einzige Weg, den unsere PatientInnen wirklich verdienen.
Zur Autorin: Alexandra Lüönd ist eine führende Unternehmerin im Beauty- und Medical-Retail. Als Gründerin der Beauty2Go-Kliniken sowie «Brows & Brows» schuf sie die grössten Ästhetik-Ketten in der Schweiz. Mit «Brows & Brows» revolutioniert sie die PMU-Branche. Die 37-Jährige schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch.