«Klimaschutz-Gesetz»: Gegner versenden Fake-News
Ein Flyer zum «Klimaschutz-Gesetz» landet in allen Briefkästen: Die Urheber greifen dabei auf dieselbe Strategie zurück, welche sie ihren Gegnern unterstellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Komitee hat einen zweifelhaften Flyer in alle Briefkästen der Schweiz versendet.
- Der Klimawandel sei «überhaupt keine Bedrohung», das Klimaschutz-Gesetz darum unnötig.
- Versand und Druck dürften über eine Million Franken gekostet haben, mit ungewissem Nutzen.
Am 18. Juni befindet die Schweiz über das «Klima- und Innovationsgesetz» – der Abstimmungskampf ist bereits in vollem Gange. Dieser Tage landete ein Flyer in allen Briefkästen des Landes, der die Stimmbevölkerung mit zweifelhaften Behauptungen überzeugen möchte.
Dazu werden die gängigen Argumente der Klima-Skeptiker aus der Mottenkiste geholt. Demnach gingen «namhafte Wissenschaftler» davon aus, dass von Menschen erzeugtes CO2 eine «kaum messbare» Wirkung auf die Erwärmung habe. Stattdessen seien «andere Faktoren» massgeblich, auf welche die Menschheit keinen Einfluss habe.
Die Urheber des Schreibens gehen gar noch einen Schritt weiter: Die aktuelle Erwärmung fördere den Pflanzenwuchs und die Nahrungsproduktion. Sie stelle «überhaupt keine Bedrohung» dar, schliesslich sei CO2 der «wichtigste Baustein aller Pflanzen», so die Behauptung.
Absender des Schreibens mit Nähe zur SVP
Der Absender des Schreibens ist das Komitee «Rettung Werkplatz Schweiz» aus Stäfa im Kanton Zürich. Im Rahmen der Abstimmungskampagnen zur «Durchsetzungsinitiative» oder zur «Konzernverantwortungsinitiative» war das Komitee auch schon in Erscheinung getreten. Damals stellte sich heraus, dass Kurt Zollinger, der ehemalige Präsident der SVP Stäfa, hinter dem Komitee steckt.
Gemäss dem «Tages-Anzeiger» beteiligt sich die SVP finanziell nicht an der Aktion. Die Argumente von «Rettung Werkplatz Schweiz» unterscheiden sich überdies deutlich von denjenigen der SVP: Von positiven Folgen des Klimawandels und einer Verschwörung US-amerikanischer Milliardäre ist in der Beweisführung der SVP nämlich nichts zu finden. Trotzdem haben gewisse Exponenten der Volkspartei, wie beispielsweise Nationalrat Andreas Glarner, das Schreiben ausdrücklich begrüsst.
Zollinger dürfte sich ausserdem der Unterstützung vonseiten grosser Spender erfreuen. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, schätzen Experten die Kosten der Flyer-Aktion auf rund eine Million Franken. Alleine der Versand des Schreibens auf Hochglanzpapier in alle Briefkästen der Schweiz kostet demnach mehr als 600'000 Franken.
Teurer Flyer mit zweifelhaften Erfolgsaussichten
Für SP-Co-Parteipräsidentin Mattea Meyer stellt der Flyer denn auch einen «neuen Tiefpunkt» im Abstimmungskampf dar: «Den Gegnerinnen und Gegnern fehlen offensichtlich die Argumente», schreibt sie auf Twitter. Die Sozialdemokratin ist besorgt, gemäss neusten Umfragen scheine die Angstmacher-Kampagne der Gegner zu wirken, wie Meyer in einem Spendenaufruf erläutert.
Politgeograf Michael Hermman zweifelt dagegen an der Wirksamkeit der Kampagne. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» betont er, dass Nebenkomitees im Abstimmungskampf zwar durchaus zielführend sein könnten.
«Diese Abstimmung wird aber in der Mitte entscheiden.» Folglich wären Inhalte, die ein breiteres Publikum ansprechen, sehr viel wirkungsvoller. Der Inhalt des Flyers sei aber «noch radikaler und rechter» als die SVP-Kampagne.
Panikmache von amerikanischen Milliardären?
So sei der Klimawandel nichts als ein grosser Schwindel, ausgehend von «anhaltender Panikmache» amerikanischer Milliardäre. Diese machten, gemäss dem Flyer, «mit der Angst riesige Geschäfte». Entsprechend würden Klimamodelle nicht davor zurückschrecken, klimageschichtliche Daten zu fälschen: So würden dieselben beispielsweise die mittelalterliche Warmzeit unterschlagen.
Tatsächlich brauchen Pflanzen Kohlendioxid als grundlegender Baustein für ihr Wachstum – diese Behauptung ist freilich unbestritten. Dennoch ist die sogenannte «Pflanzennahrungsthese» gemäss wissenschaftlichen Erkenntnissen keineswegs eine frohe Botschaft. Denn nebst diesem «Dünge-Effekt» haben die ansteigenden CO2-Emissionen noch ganz andere, mitunter katastrophale Folgen.
In erster Linie profitieren zudem Pflanzen, welche dem Klima und dem Menschen nicht dienlich sind. Was auf den ersten Blick wie «globales Ergrünen» aussieht, stellt sich bei genauerer Betrachtung primär als Veränderung der Vegetationszusammensetzung heraus. In dieser profitieren vornehmlich Pflanzen, die wenig nahrhaft sind und nur kleine Mengen von Kohlendioxid speichern können. Schliesslich überwiegen auch in der «Pflanzennahrungsthese» die negativen Effekte des Klimawandels, wie Forschende der Harvard-Universität erklären.
Unterschlagung natürlicher Klimavariation?
Unbestritten ist überdies, dass sich das Klima in einem stetigen Wandel befindet: In klimahistorischen Daten sind signifikante Temperaturanomalien wie die «kleine Eiszeit» oder das «mittelalterliche Klimaoptimum» bestens dokumentiert. Dass sich die meisten Grafiken zum Klimawandel auf den Zeitraum ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschränken, beweist allerdings nicht, dass diese natürliche Klimavariation verschleiert wird, oder klimahistorische Daten gefälscht werden.
Diese Tatsache könnte nämlich ebenso gut mit dem Beginn der systematischen Erfassung von klimarelevanten Datenpunkten zusammenhängen. Ferner stellen diese natürlichen Klimavariationen keinesfalls den menschengemachten Klimawandel infrage, so der breite Konsens innerhalb der entsprechenden Disziplinen.
Insgesamt scheinen sich die Urheber des Flyers also genau derjenigen Strategie zu bedienen, welche sie ihren Gegnern vorwerfen: Mittels Verschleierung wichtiger Teilaspekte werden Tatsachen vorgegaukelt, die einer genaueren Betrachtung schlicht nicht standhalten.