Marco Chiesa: Claude Longchamp über den neuen SVP-Chef
Marco Chiesa ist neuer SVP-Chef. Nach der Begrenzungsinitiative warten etliche Baustellen auf ihn. Der Tessiner ist gefordert, sagt Polit-Guru Claude Longchamp.
Das Wichtigste in Kürze
- Marco Chiesa ist neuer SVP-Chef. Als erstes steht für ihn die Begrenzungsinitiative an.
- Doch auch danach warten grosse Herausforderungen, sagt Politologe Claude Longchamp.
- Im Nau.ch-Talk spricht er über Chiesas zukünftige Rolle an der Spitze der Volkspartei.
Nach monatelangem Hin und Her war die Wahl am Ende reine Formsache. Die Delegierten der SVP nickten Marco Chiesa am Samstag als ihren neuen Präsidenten ab. Die Wahl an sich war keine Überraschung mehr.
Doch dass Chiesa auf den Schild gehoben wurde, hat viele Beobachter auf dem falschen Fuss erwischt. Sämtliche Politikjournalisten der Schweiz brachten etliche Namen ins Spiel, aber nicht jenen von Chiesa.
Politologe Claude Longchamp sagt: «Das Auswahlprozedere war intransparent und fand in einem sehr kleinen Kreis statt.» Den Medien will er deshalb keinen Vorwurf machen. Es sei deren Aufgabe im Vorfeld von Wahlen, auch über Namen zu spekulieren.
Claude Longchamp verortet «faden Beigeschmack»
In Bezug auf die SVP bleibe allerdings ein «fader Beigeschmack», weil die Wahl nicht allzu demokratisch abgelaufen sei. Dennoch sei es für die SVP eine «Erlösung», dass sie doch noch einen genehmen Kandidaten gefunden habe.
Chiesa selbst dürfte indes einen holprigen Start erleben. Die Meinungsbildung in Bezug auf die Begrenzungsinitiative, über die am 27. September abgestimmt wird, seien gemacht. Und Umfragen deuten auf eine klare Ablehnung des SVP-Prestige-Anliegens.
Der Tessiner Ständerat habe in diesem Projekt nie eine tragende Rolle gespielt. «Es ist eine alte Geschichte, ein Projekt auch von Christoph Blocher. Chiesa muss sich im Fall einer Niederlage keine Vorwürfe machen.»
Marco Chiesas Rolle in der Klimapolitik
An sich selbst arbeiten müsse Chiesa dennoch, etwa in Bezug auf seine Deutschkenntnisse. «Er kann sich ausdrücken, aber für Livesendungen muss er noch etwas zulegen, um debattierfähig zu sein.» Schliesslich drohten herbe Attacken der politischen Gegner.
Inhaltlich werde für Chiesa auch die Klima- und Umweltpolitik zu einem wichtigen Thema. Vor den Wahlen 2019 gab er etwa an, die Gletscher-Initiative zu unterstützen. Seither schweigt er zum Thema allerdings konsequent.
Die SVP habe inhaltlich den Fehler gemacht, diese Frage lächerlich zu machen. «Damit hat die SVP ihre öko-konservative Basis vor den Kopf gestossen», so Longchamp. Namentlich die Bauern würden nach Lösungen verlangen. «Ich würde Chiesa hier zu einer Korrektur im Parteiprogramm raten», so der Politologe.
Muss sich Marco Chiesa von Blocher «abgrenzen»?
Zentral in den Augen vieler Beobachter wird ebenfalls sein, wie sich Chiesa gegenüber Partei-Übervater Christoph Blocher positioniert. Eine «Abgrenzung» sei zu viel verlangt, Longchamp spricht von einer «Emanzipation», die möglich sei.
Die grosse Frage in den nächsten Jahren werde für die SVP grundsätzlich sein, ob sie sich unter Chiesa als Anführerin des bürgerlichen Blocks sieht. Oder ob sie weiterhin die Wirtschaftsverbände attackiert und so in der Oppositionsrolle verharrt.