Hanau-Terror: Fördert die AfD rechtsradikale Gewalt?
Nach dem Terrorakt in Hanau gerät die AfD stark unter Beschuss. Ihr Aufstieg führe zu mehr rechter Gewalt, so Kritiker. Ein Polit-Wissenschaftler ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der mutmasslich rassistische Täter Tobias R. (†43) hat in Hanau zehn Menschen erschossen.
- Die AfD wird für die Tat mitschuldig gemacht.
- Ein deutscher Politik-Wissenschaftler ordnet den Zusammenhang ein.
Die Blutnacht von Hanau (D) entfacht eine weitere Debatte um die AfD. Der mutmasslich rassistische Täter Tobias R. (†43) hat gezielt 9 Menschen mit Migrationshintergrund umgebracht und hinterlässt ein rechtsradikales Bekennerschreiben.
Zahlreiche Politiker geben der AfD die Mitschuld. So etwa der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) in der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt.»
Auch Grünen-Politiker Cem Özdemir bezeichnete die Partei als «politischen Arm des Hasses».
Das Jahr 2020 muss in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem Deutschland endlich ernst macht gegen #Rechtsradikale & #Rassismus. Dafür müssen wir alles tun. Wir lassen uns nicht spalten! #Hanau pic.twitter.com/2I8WBxLWqI
— Cem Özdemir (@cem_oezdemir) February 20, 2020
Diesen Zusammenhang schliesst auch der Mannheimer Politik-Wissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck nicht aus. Denn sowohl der AfD-Aufstieg, als auch die Zunahme rechtsextremistischer Gewalttaten, seien verbunden mit der «wachsenden Verbreitung ausländerfeindlicher Haltungen in Deutschland».
Ausländerfeindlicher Diskurs motiviert Einzeltäter und Gruppen
Als drittstärkste Partei erhält die AfD sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit und spreche eigentlich nur über dasselbe Thema. «Angebliche Bedrohungen, Gefahren und Risiken, die von der Zuwanderung in Deutschland ausgehen», hält Schmitt-Beck gegenüber Nau.ch fest.
Auch andere Parteien würden sich diese Thematik immer wieder aufdrängen lassen, wodurch ein öffentlicher Diskurs entstehe. «Durch den lassen sich Einzeltäter wie der von Hanau, aber auch gewaltbereite Gruppen für ausländerfeindliche Gewalttaten ermutigen und legitimiert fühlen.»
Durch die grosse Bedeutung des Themas werde ihnen signalisiert, «dass sie mit ihren Gewalttaten ein tatsächliches, allgemein anerkanntes Problem angehen».
Der AfD fehlt die strikte Abgrenzung nach rechts
Der Wissenschaftler betont: «Die AfD ist zwar nicht in ihrer Gesamtheit, aber auf jeden Fall in Teilen rechtsextremistisch. Und sie bewegt sich seit ihrer Gründung 2013 auch kontinuierlich immer weiter nach rechts.»
Im Falle von Hanau haben prominente Mitglieder der Partei die Tat «eines Irren» oder «Kranken» bezeichnet. Parteivorsitzender Jörg Meuthen wollte jedoch weder von linkem, noch rechtem Terror etwas wissen.
Schmitt-Beck analysiert: «Klare Abgrenzungen nach rechts vermeidet sie strikt, um nicht ihrer Unterstützer von der extremen Rechten verlustig zu gehen.» Die Partei betreibe sehr gekonnt ein doppeltes Spiel. «Führungspersonen wie Herr Meuthen sind für die Beruhigung der allgemeinen Öffentlichkeit zuständig.» Aushängeschilder wie Björn Höcke für die Durchlässigkeit nach rechts aussen.
Die Folge: Etliche moderatere Abgeordnete der AfD haben die Partei verlassen, weil sie die Partei auf dem Weg nach rechts aussen sehen. So etwa die mittlerweile fraktionslose Abgeordnete im Bundestag Frauke Petry.
Schmitt-Beck hofft abschliessend, «dass die Gefährdung der Demokratie, die von der AfD ausgeht, endlich besser verstanden wird». Die etablierten Parteien würden zusammenstehen und dieser Gefährdung entschlossen im Schulterschluss entgegentreten müssen.