Murat Yakin: «Ich entscheide, wer unser Nati-Captain ist»
Das Wichtigste in Kürze
- Nach einer souveränen Gruppenphase scheitert die Nati an der WM 2022 deutlich an Portugal.
- Beim 1:6 sei die physische Verfassung des Teams zum Problem geworden, so Murat Yakin.
- Der Nati-Trainer verteidigt Captain Granit Xhaka gegen die Angriffe von SRF-Mann Ruefer.
- Für die EM-Quali will Yakin sicherstellen, dass die Nati der Favoritenrolle gerecht wird.
Anfang Woche traf sich Nati-Trainer Murat Yakin mit seinen Amtskollegen Hansi Flick (57), Ralf Rangnick (64) und Martina Voss-Tecklenburg (55). Bei diesem Austausch fand auch ein Podiumsgespräch statt. Anlass dazu war der Lehrgang zur Pro-Lizenz der Fussball-Trainer in Frankfurt (D).
Am Rande dieser Veranstaltung hat sich der Nati-Coach für einige Journalisten vor Ort Zeit genommen. Und genau 50 Tage nach dem WM-Final eine Turnier-Bilanz gezogen. Zudem blickt er voraus auf die anstehenden Aufgaben in der EM-Quali.
Murat Yakin über …
… das Erlebnis «WM 2022» mit der Schweizer Nati:
«Unsere Vorbereitung war gut. Einige Tage vor dem Start waren wir mit der Mannschaft in der Wüste, haben dort diverse Team-Aktivitäten abgehalten. Danach galt der Fokus voll und ganz den drei Gruppenspielen. Trotz diverser Schwierigkeiten haben wir unsere Leistung abgerufen, die Gruppenphase verlief sehr erfolgreich.»
«Ein Tor mehr gegen Serbien und wir wären sogar Gruppensieger geworden, das hätte möglicherweise zu einem anderen Turnierverlauf geführt. Bis auf diese sehr schmerzhafte Niederlage gegen Portugal war es für uns ein gelungenes Turnier. Wir sind als Team weiter zusammengewachsen.»
… die 1:6-Niederlage gegen Portugal:
«Das 1:6 überschattet das ganze Jahr mit der Nati, wir hatten tolle und überzeugende Auftritte, auch in der Nations League. In den WM-Gruppenspielen konnten wir zeigen, wozu wir im Stande sind. Bei der hohen Niederlage gegen Portugal war die Art und Weise nicht wie gewünscht.»
«Aber: Ich bin nicht trauriger, als ich es bei einem 0:1 oder nach einer Niederlage nach Penaltyschiessen gewesen wäre. Wir sind ausgeschieden, aber ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen. Alle geben in der Nati immer Vollgas – gegen Portugal waren wir aber nicht fit genug.»
… die gesundheitlichen Probleme vor dem Achtelfinal:
«Wir hatten weniger Zeit, uns auf das Spiel vorzubereiten, als der Gegner. Portugal konnte im letzten Gruppenspiel gleich acht Spieler schonen. Zudem waren bei uns mehrere Spieler vor dem Achtelfinal krank, teilweise mit starken Symptomen und Fieber. Im Nachhinein werfe ich mir vor, dass ich die Spieler nicht genug geschützt habe.»
«Die Spieler wollten trotz Krankheit unbedingt auflaufen, das kann ich ihnen nicht vorwerfen. Aber ich hätte klarer entscheiden sollen, wer in der nötigen Verfassung ist. Fabian Schär war nach 20 Minuten aufgrund einer schweren Erkältung platt, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn die Kraft fehlt, passieren mehr Fehler. Und so kommt eben auch die Diskrepanz bei der Laufleistung zusammen – Portugal ist zehn Kilometer mehr gerannt als wir!»
… die Rolle von Xherdan Shaqiri:
«Shaq hat gezeigt, dass er für unser Team immer noch sehr wichtig ist. Er hat an der WM unser Vertrauen zurückgezahlt und auch ohne Spielpraxis überzeugt. Er hat entscheidenden Einfluss in den Gruppenspielen gehabt. Wenn ein grosses Turnier ansteht, ist Shaqiri einfach parat. Ist er fit, ist sein Wert für die Nati sehr gross.»
… die Rolle von Granit Xhaka:
«Wenn man solche Spielertypen wie Granit nicht hätte, müsste man sie erfinden. Wegen Spielern wie ihm geht man ins Stadion. Und wegen solcher Spieler ist man gerne Trainer, auch wenn sie herausfordernd sind. Aber er ist ein absoluter Leader-Typ und geht als solcher für die ganze Mannschaft voran.»
… die Kritik von SRF-Mann Sascha Ruefer an Captain Xhaka:
«Zuerst möchte ich klarstellen: Granit ist unser Captain, es gibt keinen anderen. Die Spieler vertrauen ihm und schützen ihn und das zurecht. Was die Kommentare von Sascha Ruefer angeht: Ich werte sie auch als Angriff auf mich, weil ich entscheide, wer unser Captain ist. Ich lasse mir nicht vorschreiben, wen ich zum Captain bestimmen soll. Das würde zu weit gehen.»
«Es ist gut, dass nicht er als Kommentator bestimmen kann, wer Captain der Nati ist. Und es ist auch gut, dass nicht ich als Nati-Trainer bestimmen kann, wer unsere Spiele beim Schweizer Fernsehen kommentieren soll.»
… die anstehende Qualifikation zu EM 2024:
«Die Erwartung und der Wunsch ist klar: Wir wollen in unserer Quali-Gruppe den ersten Platz belegen. Die Gruppe mit Andorra, Belarus, Israel. Kosovo und Rumänien ist machbar, aber auch gefährlich! Wir sind die Gejagten und müssen in jedem Spiel eine Topleistung abrufen.»
«Ich werde nicht zulassen, dass wir einen Gegner unterschätzen. Auch auf dem Papier kleinere Teams können jederzeit für eine Überraschung sorgen. Wir wollen unserer Favoritenrolle gerecht werden und dürfen nicht nachlassen.»
Qualifiziert sich die Schweizer Nati für die EM 2024?
… mögliche Änderungen im Team:
«Bis zum ersten Spiel im März kann viel passieren, Spieler können über sich hinauswachsen. Wir beobachten den Schweizer Fussball und uns sind einige Spieler aufgefallen. Wir müssen offen sein und bei der Zusammensetzung des Aufgebotes auch das Momentum berücksichtigen.»
«Zudem haben wir Fabian Rieder und Ardon Jashari die Chance gegeben, an der WM dabei zu sein. Die beiden werden jetzt nicht mehr erschrecken, wenn sie plötzlich in einem Nati-Spiel in der Startelf stehen. Dieser Prozess läuft, der Konkurrenzkampf soll da sein.»
… den Austausch mit anderen Nationaltrainern:
«Es ist bereichernd, wenn man in diesem Rahmen und auf diesem Niveau Ideen, taktische Analysen und Matchpläne länderübergreifend austauschen kann. Jedes Land hat seine eigene Fussball-Philosophie und seine eigene Fussball-DNA. Der persönliche Austausch darüber bringt uns als Nationaltrainer alle weiter. Und diese Erfahrungsschätze teilen wir auch gerne mit den zukünftigen Profitrainern unseres Landes.»