Deutsche Industrie kritisiert EU-Plastikabgabe heftig
Kommt ab dem 1. Januar eine EU-Plastikabgabe? Darüber wird heute und morgen Samstag diskutiert. Die Industrie schäumt, während Umweltschützer klatschen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Wirtschaft läuft Sturm gegen die in der EU geplante Plastikabgabe.
- Umweltschützer halten dagegen und halten den Schritt für äusserst wichtig.
- Über das Finanzpaket, wozu die Abgabe gehört, wird heute und morgen verhandelt.
Schon zum 1. Januar könnte es in der EU eine neue Plastikabgabe geben - um Abfallberge zu bekämpfen und die EU-Kassen zu füllen. Der Plan trifft auf Widerstand. Doch Umweltschützer sehen einen wichtigen Schritt.
«Diese Steuererhöhung ist Gift für Wohlstand und Beschäftigung und gerade jetzt kontraproduktiv», sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, der Deutschen Presse-Agentur. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze zeigte sich hingegen offen für die Pläne. Die Umweltorganisation Greenpeace begrüsste sie.
Wahrscheinlichkeit auf Einführung hoch
Die Abgabe auf nicht recycelten Plastikabfall ist Teil des milliardenschweren EU-Finanzpakets, über das am Freitag und Samstag beim EU-Gipfel in Brüssel verhandelt wird. Nach Einschätzung von Diplomaten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie beschlossen wird. Sie soll helfen, die Kosten für das Programm zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise zu decken.
Geplant ist, bereits zum 1. Januar 2021 eine Abgabe von 80 Cent je Kilogramm nicht recyceltem Plastik-Verpackungs-Müll von den EU-Staaten zu erheben. Es wird erwartet, dass die Regierungen sich dieses Geld von der Verpackungsbranche zurückholen.
Nach Berechnungen des Portals «Politico» wäre Deutschland mit gut 1,3 Milliarden Euro pro Jahr unter den grössten Zahlern der Abgabe. Insgesamt läge das Volumen nach dieser Rechnung bei etwa 5,9 Milliarden Euro jährlich.
Lang kritisierte: «Die Abgabe würde Unternehmen und den Standort über Gebühr belasten und das dringend notwendige Wachstum in der EU bremsen.» Kunststoffe seien zum Beispiel in der Medizin unersetzlich, die Steuer würde bestimmte Materialien diskriminieren, aber nicht das Problem der Plastikberge beheben.
«Die Wirkungsziele der Kreislaufwirtschaft und das gewünschte Mittelaufkommen einer Plastiksteuer zur Haushaltsfinanzierung passen nicht zusammen», monierte Lang. «Denn mehr Recycling würde die Einnahmen reduzieren. Das ist keine solide Haushaltspolitik.»
Greenpeace: «Zaghafter Schritt» in richtige Richtung
Umweltministerin Schulze erklärte der dpa hingegen: «Ich verschliesse mich nicht gegen eine EU-weite Plastiksteuer.» Es komme auf die Ausgestaltung an. «Diese sollte möglichst unbürokratisch sein», betonte die SPD-Politikerin. «Am Ende muss sie zu deutlich weniger Einwegplastik führen und auf den Green Deal einzahlen.»
Greenpeace erklärte: «Geldstrafen für Verpackungsmüll sind ein erster, wenn auch zaghafter Schritt in die richtige Richtung.» Menschen und Umwelt litten unter den Folgen der Plastik-Wegwerf-Wirtschaft. «Wer nicht recyclefähige Verpackungen herstellt, muss künftig für die daraus entstehenden Umweltschäden zur Kasse gebeten werden - mittelfristig gehören sie komplett vom Markt», betonte Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth.
In Deutschland fällt nach ihren Angaben pro Jahr eine Menge von etwa 220 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf an, im europäischen Durchschnitt etwa 170 Kilogramm.