Metzger: Darum ist Rossfleisch nicht unmoralisch!
Für den Berner Metzger Ruben Sprich ist Rossfleisch kein Tabu: Er sieht es als wertvolles Lebensmittel. Moral? Eine Frage der Perspektive und Nähe zum Tier.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele Menschen essen Rindfleisch – Rossfleisch käme für sie aber nie infrage.
- Für einen Berner Metzger ist es schwer nachvollziehbar, zugleich zeigt er Verständnis.
Als Metzger werde ich immer wieder gefragt, warum ich Rossfleisch verkaufe. Manche Menschen rümpfen die Nase, wenn sie davon hören. Rind oder Schwein? Kein Problem. Aber Ross? Für viele ist das moralisch fragwürdig.
Ich verstehe die Emotionen, die da mitschwingen. Pferde sind starke, stolze Tiere, die viele eher als Freunde oder Begleiter sehen.
Aber für mich – und für viele andere – ist Rossfleisch nicht unmoralisch.
Qualität und Herkunft
Zuerst mal eines vorweg: Pferdefleisch ist ein hochwertiges, fettarmes Fleisch, das wenig Cholesterin hat.
Es wird in der Schweiz nicht gezielt für die Schlachtung gezüchtet. Es sind Tiere, die oft ein langes Leben hatten.
Darum kommen Sportrösser selten auf den Teller
Sportpferde, Arbeitspferde – wenn ihre Zeit abläuft, entscheidet meist der Tierarzt, ob das Fleisch noch für den Verzehr geeignet ist.
Viele Sportpferde etwa kommen gar nicht infrage, weil sie zu viele Medikamente oder sogar Aufputschmittel bekommen haben.
Es ist nicht so, dass einfach jedes Ross, das nicht mehr laufen kann, im Schlachthof landet.
Emotionen spielen mit
Die Moralfrage hängt stark davon ab, wie wir Tiere wahrnehmen. Viele haben zu einem Ross eine andere Beziehung als zu einer Kuh oder einem Schwein.
Pferde sind Tiere, die wir reiten, die wir pflegen und bewundern. Kühe oder Schweine dagegen stehen meist im Stall.
Tier oder ein Stück Fleisch?
Bei vielen ist die Distanz grösser: Sie sehen das Fleisch später abgepackt im Supermarktregal, ohne daran zu denken, dass auch das einmal ein Tier war.
Ein Vergleich, der manchmal fällt, ist der mit Haustieren wie Katzen. Früher war es mitunter üblich, Katzen zu essen, und in bestimmten Regionen soll es heute noch vorkommen.
Für mich ist das kaum vorstellbar. Eine Katze gehört in die Wohnung, schläft auf dem Sofa und wird wie ein Familienmitglied behandelt.
Doch ich bin mir bewusst, dass es meine eigene Nähe zu diesem Tier ist, die hier mitspielt. Darum liegt es mir auch fern, jemanden zu verurteilen, der Katzen isst.
Es gibt Menschen, die leben in Gegenden, wo viele Katzen wild herumstreunern. Sie werden dann eher als «Nutztiere» gesehen, welche schlicht Ratten und Mäuse fernhalten sollen, weniger als Haustiere. Für so jemanden ist der emotionale Bezug anders.
So wie es für mich mit Pferden ist, die ich nicht nur als Begleiter sehe, sondern auch als Nutztiere.
Ich kann also nachvollziehen, wenn Menschen emotional auf Rossfleisch reagieren.
Respekt vor dem Tier
Für mich ist wichtig: Respekt vor dem Tier. Ob Ross, Rind oder Schwein – Fleisch ist etwas Wertvolles, das man nicht verschwenden sollte.
Wenn wir ein Tier schlachten, dann sollte es nicht umsonst gewesen sein.
Ein Pferd, das ein langes Leben hatte und dessen Fleisch verwertet wird, ist kein moralisches Problem. Es ist eher die konsequente Nutzung von Ressourcen.
Ein persönlicher Standpunkt
Ich verstehe, dass viele ein Problem mit Rossfleisch haben, weil sie das Tier anders sehen. Das ist in Ordnung. Jeder darf seine eigenen Grenzen ziehen. Für mich ist Rossfleisch ein Teil meiner Arbeit und meines Handwerks.
Es hat Tradition und ist ein ehrliches, gutes Lebensmittel – wenn es richtig gemacht wird. Moral ist immer auch eine Frage der Perspektive. Leben und leben lassen, sage ich immer.
Wer es nicht mag, muss es nicht essen. Aber unmoralisch ist es deshalb noch lange nicht.
Zum Autor: Ruben Sprich ist 57 Jahre alt. Vor rund einem Jahr hat er die Ross-Metzgerei «Chez Max» (ehemals Grunder) in der Berner Rathausgasse übernommen. Neben Fleisch verkauft er selbsthergestellte Pasta. Sprich legt Wert darauf, dass er kein ausgebildeter Metzger ist.