BVG-Reform: Wie kann eine künftige Vorlage Erfolg haben?
Nach der BVG-Reform ist vor der BVG-Reform. Trotz des Neins braucht es irgendwann eine mehrheitsfähige Vorlage. Eine Politologin und ein Politologe ordnen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Die BVG-Reform wurde deutlich abgelehnt – bis zu einer neuen Vorlage dürfte es dauern.
- Das Problem: Lösungen, die finanziell etwas bringen, sind oft nicht mehrheitsfähig.
- Daher bleibt eigentlich nur der klassische Kompromiss – aber auch das ist schwierig.
Es war eine heftige Klatsche, die die Befürworter der BVG-Reform am Abstimmungssonntag hinnehmen mussten.
Mit über 67 Prozent Nein-Stimmen wurde das Vorhaben an der Urne deutlich abgelehnt.
Damit ist klar: Es dürfte dauern, bis es zu einer neuen Vorlage kommt. Da sind sich sowohl Befürworter als auch Gegner der gescheiterten Reform einig.
Dennoch sehen verschiedene Akteure weiterhin Handlungsbedarf.
So stellt sich die Frage, wie denn eine künftige BVG-Reform gelingen kann. Braucht es vielleicht eher kleinere Schritte statt eine umfassende Vorlage, wie diejenige, die gerade gescheitert ist?
BVG-Reform «immer extrem schwierig durchzubringen»
Politologin Silja Häusermann von der Universität Zürich hält gegenüber Nau.ch zunächst fest, dass es eine BVG-Reform grundsätzlich schwer hat. Die beiden Hauptprobleme seien die steigende Lebenserwartung und die schwachen Kapitalerträge.
Diese Herausforderungen bedingen, dass man Anpassungen nach unten vornimmt, beispielsweise beim Umwandlungssatz.
Nur bedeutet das für die Leute weniger Geld. Häusermann sagt deshalb: «Diese Anpassungen sind in einer Volksabstimmung immer extrem schwierig durchzubringen.»
Ähnlich äussert sich Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Franklin University Switzerland. «Jede Rentenreform, welche einen Leistungsabbau beinhaltet, hat es schwer.» Sogar, wenn für andere Gruppen ein Ausbau vorgesehen sei.
Das liegt auch an der Psychologie des Menschen. Es sei «für uns viel schmerzhafter, etwas zu verlieren, als dass es uns befriedigt, etwas zu gewinnen», sagt Strijbis. «Es reicht also nicht, wenn ähnlich viele Personen profitieren wie verlieren.»
Einschnitte sollten daher nur punktuell, gut begründet, verständlich und deren Folgen abschätzbar sein. Das war aus der Sicht des Experten bei dieser BVG-Reform nicht der Fall.
Echte Kompromisse kommen derzeit nicht zustande
Einzelne Ausbauelemente hätten dagegen beim Volk schon eine Chance, sagt Häusermann. Dies «etwa zugunsten von Teilzeitbeschäftigten oder Erwerbstätigen mit Mehrfachanstellungen».
Ohne Anpassungen nach unten würden solche Vorlagen aber die oben erwähnten Hauptprobleme nicht lösen. Die Finanzierungsfrage würde bestehen bleiben – und die Bürgerlichen würden bei einer solchen Reform kaum mitmachen.
Die Idee bei umfassenden Reformen sei eben gerade, dass man unpopuläre Anpassungen mit beliebteren Elementen kombinieren kann.
Das Paket soll dann als «ausgewogen und fair» wahrgenommen werden, so Häusermann. Beispielsweise bei der BVG-Reform im Jahr 2003 sei das gelungen. «Derzeit sind die Positionen der Parteien aber so weit auseinander, dass diese Kompromisse im Parlament nicht zustande kommen.»
Höheres Rentenalter sinnvoll – aber wohl unrealistisch
Das vom Gewerbeverband geforderte höhere Rentenalter könnte die Geldprobleme lösen, sagt Häusermann. «Eine Verlängerung der Beitragsdauer wäre natürlich sehr effektiv, um die Finanzierung der Renten sicherzustellen.» Doch realistisch ist das wohl kaum. «Eine allgemeine Rentenalter-Erhöhung findet in Umfragen ähnlich hohe Ablehnung wie die Senkung des Umwandlungssatzes.»
Sprich: Höchstens als Teil eines Kompromisses könnte eine solche Erhöhung eine Chance haben.
Eine Option wäre, dass man die Erhöhung je nach Einkommensklasse unterschiedlich gestaltet. «Auch hier sieht es momentan nicht so aus, als ob die Parteien sich einigen könnten, beziehungsweise wollen», sagt Häusermann.
Strijbis sagt ebenfalls: «Eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters scheint mir politisch unmöglich.»
Höchstens eine gewisse Flexibilisierung hätte aus der Sicht des Politologen Chancen, wenn es keine reine Abbauvorlage sei.
Pensionskassen unterschiedlich gut aufgestellt
Das linke Argument, dass eine Reform aufgrund der Lage der Pensionskassen gar nicht nötig sei, ist nur teilweise plausibel. Häusermann sagt: «Die Situation der Pensionskassen ist sehr unterschiedlich, je nach Demografie der Versicherten.»
Grosse Kassen können den Umwandlungssatz im Überobligatorium senken und so Geld sparen. «Zudem kommen sie ihren Rentenverpflichtungen nach, indem Gelder von Aktiven zu Rentnerinnen und Rentnern umverteilt werden.»
Das wiederum ist eigentlich nicht die Idee der zweiten Säule, was auf einen Reformbedarf hinweist.
Langfristig dürfte es also in jedem Fall eine BVG-Reform brauchen. Eine mehrheitsfähige Vorlage zu kreieren, die die Finanzierungsprobleme löst, könnte allerdings zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden.