Darum stimmten viele Ausland-Schweizer Ja zur BVG-Reform
Viele Auslandschweizer sagten Ja zur BVG-Reform. Die Organisation Swiss Community und Politologen erklären, weshalb die Vorlage ennet der Grenze besser ankam.
Das Wichtigste in Kürze
- Neun von zwölf Auslandschweizer-Bezirken haben die BVG-Reform angenommen.
- Damit sehen die Resultate ganz anders aus als bei den Inlandschweizern.
- Für diesen Unterschied gibt es mehrere Gründe.
Der Abstimmungssonntag brachte ein klares Verdikt: Sowohl die Biodiversitätsinitiative als auch die BVG-Reform wurden vom Schweizer Stimmvolk deutlich abgelehnt.
Bei der Pensionskassen-Vorlage kamen am Ende über 67 Prozent Nein-Stimmen zusammen. Kein einziger Kanton sagte Ja – lediglich einzelne Gemeinden befürworteten die Reform, wie aus den offiziellen Daten hervorgeht.
Auffällig ist gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik jedoch, dass bei Auslandschweizern die Zustimmung offenbar grösser war. Die neun Bezirke mit den höchsten Ja-Anteilen waren allesamt Auslandschweizerbezirke von verschiedenen Kantonen. Es sind sogar die einzigen neun statistisch erfassten Bezirke, die der Vorlage zustimmten.
Auslandschweizer orientieren sich oft eher am Bundesrat
Wie lässt sich das erklären? Nau.ch hat bei der Auslandschweizer-Organisation Swiss Community und bei Politologen nachgefragt.
Swiss-Community-Direktorin Ariane Rustichelli betont zunächst, dass lediglich in zwölf Kantonen die Auslandschweizer separat erfasst werden. Entsprechend kann man nicht abschliessend beurteilen, wie genau die Zustimmung unter den Auslandschweizern ausfällt.
Von diesen zwölf statistischen Bezirken haben neun der BVG-Reform zugestimmt. Das sind Zürich, Freiburg, Thurgau, Appenzell-Innerrhoden, Aargau, Luzern, St. Gallen, Wallis und Basel-Stadt.
Diejenigen in der Waadt und in Uri haben die Reform knapp abgelehnt. Lediglich bei den in Genf registrierten Personen gab es ein deutliches Nein. Summa summarum wurde die BVG-Reform zwar auch im Ausland abgelehnt. Allerdings mit 51 Prozent Nein-Anteil deutlich knapper als im Inland.
Dass das BVG-Resultat anders aussieht als bei Inlandschweizern, hat laut Rustichelli jedenfalls mehrere Gründe. «Auslandschweizer stimmen oft eher so, wie es der Bundesrat empfiehlt.» Es herrsche grundsätzlich ein grosses «Vertrauen» in die Behörden.
Dazu kommt, dass viele im Ausland gar nicht direkt von der BVG-Reform betroffen gewesen wären. Gerade solche, die schon seit längerer Zeit nicht mehr in der Schweiz leben. «Die politische Debatte war vielleicht im Ausland weniger emotional», sagt Rustichelli.
Dafür spricht auch ein anderer Wert, der den Daten zur Abstimmung zu entnehmen ist. «Die Stimmbeteiligung im Ausland war sehr niedrig», sagt Rustichelli.
Genfer Auslandschweizer als Ausnahme bei BVG-Reform
Es gibt indes unter den Auslandschweizern Ausnahmen. Die im Kanton Genf registrierten Personen lehnten die BVG-Reform mit knapp 68 Prozent ab.
«In Genf gibt es viele Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, aber in Frankreich wohnen», erklärt Rustichelli. Sie wären demnach eher von einer Annahme betroffen gewesen als andere Auslandschweizer und stimmten also eher wie die Inlandschweizer.
Die Genfer Auslandschweizer befanden sich mit ihren 67,9 Prozent tatsächlich nahe an den 67,1 Prozent des Gesamtresultats. Im Vergleich zu den Inlandschweizern im Kanton Genf fiel die Ablehnung aber auch weniger deutlich aus. Dort sagte die Bevölkerung sogar mit über 73 Prozent Nein.
Politologin: Senkung des Umwandlungssatzes im Ausland weniger bedeutend
Ähnlich wie Rustichelli beurteilt Politologin Silja Häusermann von der Universität Zürich die Abstimmungsresultate. Die Auslandschweizer seien den Kampagneneffekten weniger stark ausgesetzt. «Diese haben in den letzten Monaten nachweislich stark zur sinkenden Zustimmung beigetragen», so die Expertin.
Die weniger grosse Betroffenheit nennt Häusermann ebenfalls als Erklärung. Die Senkung des Umwandlungssatzes hätte beispielsweise nur für eine Minderheit im Obligatorium direkte Auswirkungen gehabt.
Für Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Franklin University Switzerland, ist der Unterschied nicht überraschend. Auch er nennt das Vertrauen in den Bundesrat sowie die geringe Betroffenheit als mögliche Erklärungen.
Dazu nennt er noch einen weiteren Aspekt. «Die Auslandschweizer haben ein überdurchschnittlich progressiv-liberales Profil, das am ehesten der GLP entspricht.» Es waren genau die GLP-Wähler, die die Reform noch am ehesten befürworteten.
Es sei oft so, dass die Personen im Ausland anders abstimmen. Laut Strijbis sind sie kulturell und wirtschaftlich tendenziell liberaler.