CO2-Gesetz: «Absolutes Minimum» oder «Brechstange»?
Gegen das CO2-Gesetz stellen sich viele Verbände und Unternehmen aus der Energiebranche. Die Internationale Energieagentur hingegen will eine Energiewende.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Internationale Energieagentur fordert einen Investitionshalt in fossile Energieträger.
- Nur so sei das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichbar, schreibt die IEA.
- Das Schweizer CO2-Gesetz soll auch zu diesem Ziel führen, stösst aber auf Widerstand.
Die Internationale Energieagentur wurde nach der Ölkrise in den 1970er Jahren gegründet, um Wirtschaftswachstum dank Energieversorgung sicherzustellen. Seither analysiert die IEA Statistiken und Ausblicke für die Energiebranche in Industrienationen. Die Agentur wird schon seit Beginn ihres Entstehens als pro-Atomkraft und eher den fossilen Energieträgern zugewandt betrachtet.
Umso mehr überraschte es also, als die IEA kürzlich für einen Investitionsstopp in Öl, Gas und Kohle plädierte. IEA-Direktor Fatih Birol legt mit einer Roadmap dar, wie das Ziel Netto-Null bis 2050 erreichbar sei: Mit einer kompletten Energiewende. Für viele Klima-Aktivisten und -Wissenschaftler ist das ein positives Zeichen.
Im Bericht erklärt die Agentur, wie eine solche Wende stattfinden könnte. Jede Regierung und jede Nation müsse aber einen eigenen Plan auszutüfteln: «Es gibt keine Einheitslösung für den Übergang zu sauberer Energie». Die Schweiz hat de facto eine solche Lösung.
CO2-Gesetz wegen Fossil-Energiebranche auf der Kippe
Gegen die Schweizer «Netto-Null bis 2050»-Strategie des Bundesrats wurde aber indirekt das Referendum ergriffen. Denn der gesamte Plan basiert auf dem CO2-Gesetz, welches von der Auto-, Öl- und Gaslobby bekämpft wird.
Aber wieso, wenn doch eine länderübergreifende Energieagentur bekräftigt, dass eine Wende nötig ist? Roland Bilang, Geschäftsführer der Erdöl-Lobby Avenergy und Mitglied des Nein-Komitees zum CO2-Gesetz, ordnet ein. Der Bericht der IEA sei keineswegs überraschend gewesen, sagt er auf Anfrage.
Ferner finde in der Schweizer Energiebranche sehr wohl ein Sinneswandel statt: «Dieser ist seit Jahren im Gang. So fördern wir zum Beispiel mit grossem Aufwand die Wasserstoffmobilität sowie Bio-Brenn- und -treibstoffe.»
Die Geschichte des Verbands spricht für Bilangs Aussage. Bis 2019 hiess Avenergy noch «Erdöl-Vereinigung». «Zukünftig sehen wir auch in der Produktion von synthetischen Treibstoffen ein grosses Potenzial», so der ehemalige ETH-Dozent. Trotzdem wurde der Verband von ETH-Klimaexperte Reto Knutti kritisiert.
Avenergy lehne das CO2-Gesetz ab, «weil damit versucht wird, den eingeschlagenen Weg mit der Brechstange zu beschleunigen». Bilang führt weiter aus, die Vorlage werde keinen spürbaren Effekt auf den Klimawandel haben. Sondern lediglich «enorm teuer» und «ungerecht» sein, weil sich nicht alle einen Lebensstilwechsel leisten könnten.
«Schweiz muss noch weiter»
Ganz anders sieht das GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner (ZH). Auf Twitter reagierte die Energiespezialistin positiv und überrascht auf den Bericht der IEA. Gegenüber Nau.ch erklärt sie: «Das ist ein ganz wichtiger Schritt, er zeigt, dass das Thema Klimaschutz auch dort angekommen ist.»
Die Roadmap der Agentur gehe sogar noch weiter als das CO2-Gesetz, so Schaffner. «Es zeigt uns, dass die Schweiz noch weiter vorwärtsmachen muss», sagt sie. Und auch, dass die «kleine Schweiz» doch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne.
Das Argument von Bilang, die Schweiz sei auch ohne Gesetz auf gutem Weg, hält sie für «absolut nicht wahr». «Mit den beiden früheren Gesetzen haben wir gesehen, dass die Massnahmen wirken. Zum Beispiel im Gebäudebereich», sagt Schaffner.
«Im Verkehr fehlen griffige Massnahmen immer noch, das CO2-Gesetz ist ein sehr zaghafter Versuch. Es ist das absolute Minimum.»