Coronavirus: Portugal als Warnung vor frühen Öffnungen
Die Corona-Lage in Portugal ist dramatisch. Das Land hat die höchste Rate an Neuinfektionen und Toten weltweit. Wurde zu früh geöffnet?
Das Wichtigste in Kürze
- Portugal entwickelte sich vom Vorbild in der Prävention zum grossen Sorgenkind der Welt.
- Bei der Ursachenforschung gehen die Meinungen von Experten und Politikern auseinander.
- Politiker geben der Briten-Mutation die Schuld, Experten sehen Öffnungen als Ursache.
Wie konnte sich Portugal vom Vorbild in der Virus-Prävention zu der Nation mit der weltweit höchsten Infektions- und Todesrate entwickeln? Bei dieser Frage spalten sich die Geister der Experten und der Politiker des Landes.
Einerseits ist für beide Gruppen klar, dass die britische Corona-Mutation einen grossen Einfluss hatte. Doch für die Experten waren auch die gelockerten Massnahmen über Weihnachten matchentscheidend – für die Politik hingegen weniger.
«Die Lockerungen während Weihnachten waren der geringere Faktor», wird etwa der portugiesische Aussenminister in einem Bericht vom «Handelsblatt» zitiert. Man sei sehr stark von der britischen Virusvariante betroffen und das sei der wichtigste Grund für den starken Anstieg der Infektionen, so August Santos Silva.
Laut Santos Silva war die britische Virus-Mutation in der vergangenen Woche für die Hälfte aller Neuinfektionen in der Region Lissabon verantwortlich gewesen, im ganzen Land für ein Drittel.
Experte: «Portugal als Warnung für Länder, die zu früh öffnen»
Pedro Simas, Virologe am Institut für molekulare Medizin der Universität Lissabon hält dagegen. Er sieht die Probleme vor allem bei den Lockerungen und meint: «Portugal kann anderen Ländern als Warnung dienen, was passiert, wenn die Restriktionen zu früh gelockert werden.»
Der Experte schaut zurück und hält fest, dass Portugal dank schneller und strikter Abschottung äusserst gut durch die erste Welle gekommen war. Erst im September stiegen die Infektionen deutlich an – nämlich als die Schulen wieder öffneten und die Unternehmen nach den Ferien den vollen Betrieb wieder aufnahmen.
Der leichtere Lockdown der darauf folgte, habe nicht richtig funktioniert, so Simas. Die Neuinfektionen hätten sich zwar halbiert, doch sie fielen nie unter 3000 am Tag pro 100'000 Einwohner im Siebentages-Durchschnitt.
Zu Weihnachten seien schliesslich die Lockerungen gekommen. So durften sich die Portugiesen etwa wieder im ganzen Land bewegen und ihre Familien besuchen. Die Infektionszahlen stiegen daraufhin rasant an.
Virologe Simas hält gegenüber dem «Handelsblatt» fest, dass die drastischen Folgen der Lockerungen auch mit der britischen Virus-Mutation zu tun haben: «Sie hat die dritte Welle zwar nicht verursacht, aber beschleunigt.»
Portugals Lockdown könnte noch lange dauern
Inzwischen befindet sich das Land wieder in einem harten Lockdown. Seit dem 22. Januar sind auch die Schulen geschlossen. Das Land hat sich zudem von der Aussenwelt abgeschottet.
Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps und viele Mitarbeiter der Spitäler sind infiziert. Deutschland wird heute Mittwoch mehrere Sanitäter, Betten und Beatmungsgeräte nach Portugal fliegen und Österreich übernimmt schwer kranke Intensivpatienten des Landes.
Der verordnete Lockdown gilt vorerst bis zum 14. Februar. Doch in der portugiesischen Politik ist bereits die Rede davon, dass er bis März oder sogar noch länger anhalten wird.