Longchamp: BVG-Reform entscheidet auch über Macht der Gewerkschaften

Bei einem Nein zur BVG-Reform, wie es Umfragen andeuten, führt künftig kein Weg an den Gewerkschaften vorbei, sagt Politologe Claude Longchamp.

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Claude Longchamp im Nau.ch-Talk zum Faktor «Macht der Gewerkschaften», je nach Ausgang der Abstimmung über die BVG-Reform. - Nau.ch/Nico Leuthold

Das Wichtigste in Kürze

  • In Umfragen zeichnet sich ein Nein-Trend zur BVG-Reform ab.
  • Das hiesse: Der Gewerkschaftsbund ist wieder referendumsfähig.
  • Gemäss Politologe Claude Longchamp wird es so künftig für die Bürgerlichen schwierig.

In Umfragen zeichnet sich ein Nein zur BVG-Reform ab, obwohl eine Parlamentsmehrheit und der Bundesrat dafür sind. Als einen der Gründe sieht Politologe Claude Longchamp auch, dass es das Parlament mit neuen Mehrheiten versucht hat: mit der GLP, aber ohne Gewerkschaften.

Sollte diese Strategie scheiten – und danach sieht es momentan aus – müsse man über die Bücher, so Longchamp. Denn die Niederlage an der Urne stärkt im Gegenzug den Gewerkschaftsbund: Er darf sich wieder «referendumsfähig» nennen.

Referendumsfähig: Mehr Macht den Gewerkschaften

Dies sei das zentrale Stichwort bei Volksabstimmungen, erklärt Longchampim Nau.ch-Talk: «Referendumsfähigkeit heisst: Ich bin in der Lage, die nötigen 50'000 zu sammeln und das in 100 Tagen. Aber es heisst auch, ich kann eine Volksabstimmung, die darauffolgt, gewinnen.»

Wie wirst du zur BVG-Reform abstimmen?

Wer damit glaubwürdig drohen könne, habe im parlamentarischen Prozess Gewicht – «selbst, wenn er in der Minderheit ist». Bei den Gewerkschaften sei dies in letzter Zeit etwas infrage gestellt worden: Sie hatten beim Frauenrentenalter eine knappe, aber empfindliche Niederlage eingefahren.

«Im Parlament entstand auf bürgerlicher Seite etwas Euphorie, dass man nächste Reformen der Sozialversicherungen ohne Gewerkschaften machen könnte.» Ein Ja zur BVG-Reform würde diese Tendenz sicherlich stärken. Wahrscheinlich gebe es ja aber ein Nein: «Dann wäre für den Gewerkschaftsbund die ‹kleine Scharte› beim Frauenrentenalter wieder ausgewetzt.»

AHV Abstimmung Frauen SP
SP-Politikerinnen hofften am Sonntag, 25. September 2022, bis zuletzt, dass die Reform AHV 21 abgelehnt wird. - Keystone

Dies hätte vor allem eine Konsequenz: «Jetzt kann man wieder glaubwürdig damit drohen, dass man das Referendum ergreift und eine Vorlage wieder scheitert», erklärt Politologe Longchamp.

Nach Nein zur BVG-Reform wird es für Bürgerliche schwierig

Das gelte selbstverständlich nicht nur für weitere Reform-Projekte bei der beruflichen Vorsorge. Sondern auch, wenn Teilzeiterwerbstätige bessergestellt werden sollen.

Oder bei jeglichen Versuchen, das Rentenalter zu erhöhen, was die Gewerkschaften dezidiert ablehnen: Dort werde die Macht des SGB sogar noch höher einzustufen sein als bei einem Nein zur BVG-Reform, schätzt Claude Longchamp.

Gewerkschaften 13. AHV-Rente
Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften und SP freuen sich über die erste Prognose zum Abstimmungsergebnis zur 13.-AHV-Renten-Initiative, am 3. März 2024, in Bern. - keystone

«Nicht zuletzt, weil sie dieses Jahr sogar noch den Ausbau der AHV gewonnen haben», nämlich mit der Einführung der 13. AHV-Rente. «Und eine Initiative ist noch schwieriger zu gewinnen als ein Referendum», gibt Longchamp zu bedenken.

Wahrscheinlich müsse man dann sagen: «So eine Vorlage kommt nur durch, wenn die beiden Sozialpartner – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – einheitlich gleicher Meinung sind.» Das sei bei der beruflichen Vorsorge besonders wichtig, denn sie werden von den Unternehmern und den Arbeitenden bezahlt.

Sozialpolitik ohne Gewerkschaften und Linke könne man dann wohl vergessen, vermutet Claude Longchamp. «Das wird sicher für die bürgerliche Seite schwieriger werden.»

Kommentare

User #2908 (nicht angemeldet)

Bravo für das nein gegen die BVG-Reform. Diese Reform wurde von PK zu Gunsten der PK geschrieben. Zudem von Politikern unterstützt welche in den VR der Versicherungen sitzen und natürlich für die Lobbyisten das Volk überzeugen sollten. Das Volk merkt langsam, dass man den Politikern nicht mehr trauen kann. Die PK sind reich und bezahlen hohe Löhne und sie sollen deshalb arbeiten und herausfinden, wie man Geld anlegen kann.

User #5233 (nicht angemeldet)

NEIN zur BVG-Vorlage. Mit der BVG-Vorlage bezahlen die Versicherten höhere Beiträge in die Pensionskasse ein. Trotzdem sinken die Renten um bis zu 3200 Franken pro Jahr. Grosse Profiteurin ist die Finanzindustrie: Banken, Makler:innen und Versicherungen kassieren Milliarden – auf Kosten der Versicherten.

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