Autobahnausbau scheitert laut Politologen wegen mehreren Gründen

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Bern,

Die hohen Kosten trotz angesagtem Sparkurs, Mobilisierung und geografische Verteilung der Projekte haben laut Politologen zum Nein beim Autobahnausbau geführt.

Abstimmung
Alle Vorlagen, über die am Sonntag entschieden wurde, waren sogenannte Behördenvorlagen. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE

Weiter war der Abstimmungssonntag mit dem Scheitern von drei von vier Behördenvorlagen an der Urne im langjährigen Vergleich eine Ausnahme.

«Die Linke und die progressiven Kräfte, wie die GLP, konnten im Abstimmungskampf gegen den Autobahnausbau sehr breit mobilisieren», sagte Sarah Bütikofer, Politologin und Herausgeberin der Online-Plattform Defacto, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Umfragen im Vorfeld hätte zudem gezeigt, dass Frauen viel skeptischer waren als Männer.

Weil alle vier Referenden von links initiiert wurden, sei die Mobilisierung in diesen Kreisen am Sonntag gross gewesen. Die bürgerlichen Parteien hätten in ihren Kreisen überzeugen können, aber ihre Argumente verfingen nicht darüber hinaus, meinte die Politologin.

Ihnen sei zudem der Zeitpunkt der Abstimmung wohl auch nicht entgegengekommen. «Es sei schwierig, gleichzeitig Sparpakete zu erklären und dem Volk Ausgaben von 4,9 Milliarden Schweizer Franken für den punktuellen Autobahnausbau schmackhaft zu machen», erklärte Bütikofer, die auch Projektpartnerin beim Forschungsinstitut Sotomo ist. So hätten denn auch traditionell bürgerliche Gemeinden und Kantone Nein zum Autobahnausbau gesagt.

Einen weiteren Grund sah Daniel Kübler, Politologe an der Universität Zürich und am Zentrum für Demokratie Aarau, in der geografischen Verteilung der Projekte. «Beispielsweise für die Stimmberechtigten in Zürich oder im Tessin war es nicht klar, warum sie einem Autobahnausbau zustimmen sollen, denn bei ihnen war kein Projekt geplant», sagte Kübler auf Anfrage.

Die Efas-Vorlage (Einheitliche Finanzierung ambulant und stationär), wurde als einzige Vorlage am Sonntag angenommen. Bei einem Blick auf die Abstimmungskarte zeigte sich ein klarer Röstigraben – die Deutschschweizer Kantone und das Tessin stimmten dafür, während die Westschweizer Kantone die Vorlage ablehnten.

Drei von vier Vorlagen wurden am Sonntag abgelehnt

«Meine Interpretation ist, dass in der Westschweiz die Argumente der Gewerkschaften eher griffen, während in der Deutschschweiz eher dem Bundesrat geglaubt wurde», so Kübler. Weiter komme hinzu, dass in der Romandie nicht geglaubt werde, dass die Krankenkassenprämien, die in diesem Landesteil im Durchschnitt höher sind, durch die Reform sinken würden. Sogar das Gegenteil werde befürchtet.

Die zwei Mietrecht-Vorlagen wurden von den Stimmberechtigten mit 52 beziehungsweise 54 Prozent abgelehnt. Gemäss Statistiken des Bundes sind in der Schweiz 58 Prozent der Wohnbevölkerung Mieter oder Mieterinnen.

Auf die Frage, warum die Ablehnung nicht grösser ausfiel, meinte Bütikofer: «Die Stimmbevölkerung ist kein direktes Spiegelbild der Wohnbevölkerung. Zudem kann man auch nicht den individuellen Abstimmungsentscheid einer Person direkt von deren Wohnverhältnissen ableiten.»

Dazu komme, dass auch viele Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz kein Stimmrecht haben, in einem Mietverhältnis wohnen. Dass diese beiden Referenden ebenfalls erfolgreich waren, hänge zum einen mit der Mobilisierung des gesamten linken Lagers zusammen und zum anderen wohl auch daran, dass die Inhalte der Vorlagen Unklarheiten beinhalteten.

Alle Vorlagen, über die am Sonntag entschieden wurde, waren sogenannte Behördenvorlagen. Diese werden im Gegensatz zu Volksinitiativen vom Parlament ausgearbeitet und kommen aufgrund eines erfolgreich ergriffenen Referendums vors Volk.

Drei von vier Vorlagen wurden am Sonntag abgelehnt, was im langjährigen Vergleich eine Ausnahme ist. Behördenvorlagen werden im Durchschnitt deutlich häufiger angenommen als abgelehnt, wie Auswertungen von Hans-Peter Schaub, Politologe bei Année Politique Suisse, zeigen.

«Grundsätzlich ist es normal, dass gewisse Entscheide des Parlaments abgelehnt werden. Das gehört zur direkten Demokratie dazu. Es bedeutet nicht, dass das System versagt, im Gegenteil», sagte Schaub auf Anfrage. Seit 1971 gelte bei fakultativen Referenden die Tendenz, dass die Erfolgsquote der Behörden leicht steige.

«Wir leben in einer Zeit des Bundesstaates, in der die Übereinstimmung zwischen Stimmbevölkerung und Behörden relativ gross ist», so der Politologe der Universität Bern. Insgesamt komme bei rund sechs Prozent der Vorlagen ein Referendum zustande. Gemäss Schaub werden im Endeffekt also nur etwa drei, vier Prozent der Parlamentsentscheide umgestossen.

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